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Mehr Gehalt – mehr Zufriedenheit? Geht diese Gleichung auf? Aber tragen nicht noch andere Faktoren dazu bei, dass wir täglich voller Motivation in die Arbeit gehen? WU Professor Johannes Steyrer gibt Einblick in die aktuelle Forschung zu Glück und Zufriedenheit.

Warum arbeiten wir, außer um Geld zu verdienen?

Die sogenannte „Positive Psychologie“ war ja erstaunt, dass die wichtigsten Sozialfaktoren wie Einkommen, Bildungsniveau, Familienstand und Berufstätigkeit nur relativ wenig Varianz, also Unterschiede, in der Lebenszufriedenheit erklären. Es sind nämlich nur rund 15 Prozent. Der Ökonomienobelpreisträger Daniel Kahneman führte das auf die Art und Weise zurück, wie Zufriedenheit normalerweise gemessen wird. Fragen wie „Alles in allem, wie glücklich und zufrieden sind Sie?“ seien – so sein Argument – viel zu allgemein und unpräzise. Würde man Personen viele Male zufällig fragen, was sie gerade tun und wie sie sich dabei fühlen, könne man eine Affektbalance über mehrere Ereignisse errechnen. Reiche Leute – so seine Logik – würde man dann öfter am Golfplatz antreffen und ärmere im Pendlerzug. Heraus käme dann, dass Geld für die Lebenszufriedenheit viel wichtiger sei.

Und was kam heraus?

Ja, das war das Erstaunliche, wendete man die sogenannte „duration weighted affect“-Methode an, also mehrmalige Messungen der jeweiligen Zufriedenheit, dann korrelierten die wichtigsten Sozialfaktoren praktisch überhaupt nicht mehr mit der Zufriedenheit. Das bedeutet, dass die Korrelation z. B. zwischen Einkommen und Lebenszufriedenheit, und zwar allgemein gemessen, eher auf sozialen Konstruktionen basiert, und zwar nach dem Motto: „Ich verdiene mehr Geld, also bin ich glücklicher als die, die weniger verdienen.“ Schaut man sich aber die konkrete Lebensqualität an, und zwar gemessen über konkrete und mehrere Ereignisse, dann glätten sich die Unterschiede und die Bedeutung von Geld scheint dann überhaupt irrelevant zu werden. Genauso war es, wenn man Leute fragte, in welchem Auto sie sich besser fühlen würden: im 5er BMW oder im Nissan Micra Mouse. Alle glaubten, im BMW würden sie sich besser fühlen. Wenn man die Leute mehrmals in diesen Autos sitzend fragte, wie sie sich fühlten, gab es keinen Unterschied mehr zwischen BMW- und Nissan-Fahrer/in.

Aber es kann doch nicht gleichgültig sein, ob jemand am Existenzminimum lebt oder ein überdurchschnittliches Einkommen hat.

Nein, natürlich nicht. Aber nehmen wir an, Sie verdienen heute pro Jahr netto € 30.000 und im nächsten Jahr € 90.000. Untersuchungen zeigen, dass sich rund 1,5 Stunden länger schlafen stärker positiv auf die Lebenszufriedenheit auswirken als der Geldzuwachs von € 60.000. Aber Vorsicht, wenn Sie sich stark unterbezahlt fühlen und Ihr/e Chef/in sagt zu Ihnen: „Schlafen Sie halt ein bisschen länger, dann geht es Ihnen besser!“, würden Sie das als Frotzelei erleben. Ob Sie ein Einkommen zufrieden macht oder nicht, ist eine soziale Vergleichsfrage. Wir Menschen wollen in der Regel mehr als andere in unserer Bezugsgruppe verdienen, egal auf welchem Niveau. Das ist zwar irrational, aber die Alternative „Ich verdiene € 40.000 und du € 30.000 pro Jahr“ erleben wir besser als „Ich verdiene € 50.000 und du € 60.000“. Abschließend ist zu sagen, dass die „duration weighted affect“-Methode zeigte, dass die Lebensqualität von Menschen – weniger Stress, weniger depressive Stimmung, mehr positive Erfahrungen – bis zu einem Familieneinkommen von rund € 80.000 pro Jahr steigt und dann nicht mehr zunimmt. Ab dann schlagen also die abnehmenden Grenzerträge unbarmherzig zu.

Heißt das auf gut Deutsch, mehr auf Lebensqualität zu setzen als auf Geld?

Jetzt wird es kompliziert, denn die Antwort darauf ist nein und ja zugleich. Warum? Erleben und Erinnern sind 2 verschiedene Paar Schuhe. Lässt man Menschen generalisierend auf ihr Leben schauen (erinnern), dann sagen sie, dass Sozialkontakte mit Freund/innen und die eigenen Kinder für sie am erfüllendsten waren bzw. sind. Fragt man dieselben Menschen wie es ihnen gerade geht (erleben), wenn sie mit den eigenen Kindern zusammen sind, dann ist das ungefähr genauso befriedigend wie Geschirrabwaschen. Setzte man allein auf Lebensqualität, hieße das, auf Kinder zu verzichten. Schaut man dann aber auf das Leben als Ganzes zurück, dann liegen Kinder ganz oben. Zum Schluss bestehen wir aber alle primär aus Erinnerungen und das konkrete Erleben tritt in den Hintergrund. Genauso ist es mit der Frage: „Karriere ja oder nein?“ Karrieremachen mag zwar der Lebensqualität nicht immer zuträglich sein, trotzdem sind Karrieren Meilensteine im Leben und die bleiben schlussendlich über. An einem Marathon teilzunehmen ist in puncto Lebensqualität auch nicht angenehm, aber das verbleibt als Spitzenerlebnis im Kopf. Schlussendlich ist es kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

Schön und gut, aber es muss ja jenseits von Einkommen und Geld auch noch was Anderes geben. Anders gefragt, wie kann ich meine Karriere gestalten, dass sie mich erfüllt?

Martin Seligmann, einer der prominentesten Vertreter der „Positiven Psychologie“, differenziert zwischen life of pleasure, life of engagement und life of meaning. Das volle Leben besteht aus allen 3 Faktoren. Aber seine Forschung zeigt, dass Vergnügungen am wenigsten Glück bringen. Life of engagement schlägt aber in puncto positiver Wirkung life of meaning. Es geht darum, sich in einer Arbeit zu verlieren, zu vergessen, aufzugehen. Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi nennt das „Flow“. Offensichtlich glauben wir alle, dass das, was wir konkret tun, bedeutender ist, als es tatsächlich ist. Aber es scheint weniger auf das Was, sondern auf das Wie anzukommen. Vor allem ständiges Grübeln scheint unser Leben – so die Forschung – besonders stark zu ruinieren. Hinzu kommt, dass wir in der Hektik des Alltags die vielen positiven Erfahrungen, die uns täglich widerfahren, nicht registrieren. Wer ein Glückswochenbuch führt und aufschreibt, was er/sie alles positiv erlebt hat, verbessert signifikant sein/ihr Leben. Derselbe positive Effekt zeigte sich in der Welt der Arbeit. Angestellte schrieben einmal pro Woche 3 freudige Ereignisse samt Gefühlen auf und begründeten, warum diese 3 Erlebnisse gut waren. Das dauerte pro Woche 10 Minuten. Im Vergleich mit einer Kontrollgruppe ging ihre Arbeitszufriedenheit stark nach oben.

Aber ein Job oder die Karriere muss doch zu mir passen, um erfüllend zu sein.

Ja, die sogenannte Person-Environment-Fit-Theorie hat vielfach gezeigt, dass die Passung zwischen Person und Job wichtig ist. Aber dieser Fit wird überschätzt. Wer an der WU studiert hat, hat sich – sehr allgemein formuliert – für eine Karriere in der Wirtschaft entschieden. Aus einer Karriere als Geigenbauer/in wird dann wohl nix mehr. Aber die Unterschiede in den Joboptionen, die ein WU Studium ermöglicht, sind schlussendlich weniger wichtig als man glaubt. Zu glauben, dass man nur im Marketing und niemals im Controlling glücklich werden kann, ist stark übertrieben. So wie es nicht „den“ einen Menschen für die Liebe gibt, gibt es auch nicht nur „den“ einen Job fürs Leben. Denjenigen, die sich darüber zu viele Gedanken machen, sei ein Zitat von Kahneman ans Herz gelegt: „Nothing in life is as important as you think it is, while you are thinking about it!“

Ja, und wie schaut es nun mit dem life of meaning aus?

Natürlich ist der Mensch nicht auf der Basis von Instinkten, sondern auf der Basis von Sinn aufgebaut. Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, drückte das ungefähr so aus: „Der Wille zum Sinn bestimmt unser Leben! Wer Menschen motivieren will und Leistung fordert, muss Sinnmöglichkeiten bieten.“ Einschlägige Arbeiten wie z. B. „On the Meaning of Work“ unterscheiden 4 verschiedene Sinnbezüge: 1. Welche Wirkung hat meine Arbeit auf andere Menschen? 2. Welche Bindungs- und Zugehörigkeitserfahrungen erschließt mir meine Arbeit? 3. Habe ich in der Arbeit Gelegenheit, meine persönlichen Stärken zu nutzen? 4. Habe ich in der Arbeit Möglichkeiten, wirksam zu sein bzw. zum Gestalten? Ich persönlich glaube, dass am meisten Sinn dann erfahren wird, wenn mein Verhalten positive Konsequenzen für andere Menschen hat und zum physischen und psychischen Wohlbefinden der anderen beiträgt. Menschen sehen das generell aber nicht so, denn 63 Prozent glauben, dass Investitionen für sie selbst zufriedener machen als Investitionen in andere. Dabei zeigen viele Befunde, dass das umgekehrt ist. Investments in andere machen glücklicher als Investments in sich selbst. Die Höhe und Art des Investments scheinen dabei unwesentlich zu sein. Nicht wie viel ist entscheidend, sondern dass man es überhaupt tut bringt Sinnerfahrung.

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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