Bild: © ANDREAS KOWACSIK

„Scan den QR-Code im Lift, dann kommst du zu uns ins Office.“ Gesagt, getan – und schon stehe ich im neuen Wien-Büro der N26. Alle essen gerade gemeinsam zu Mittag – auch Valentin Stalf, Gründer und CEO der Internet-Bank sowie Unirat der WU, sitzt dabei. Die Stimmung ist locker und trotzdem busy. „Derzeit arbeiten rund 20 Mitarbeiter/innen hier. Und in den nächsten Jahren wollen wir auf 150+ aufstocken“, so der 35-Jährige. Die N26 hat viel vor – und Valentin Stalf noch mehr. Es wird ein Gespräch über Impact, wachsende Industrien und die Bedeutung von Digital-Kompetenzen.

Wie kommt man dazu, eine Bank zu gründen?

Die Idee kam während meiner Zeit bei Rocket Internet, einem Start-up-Inkubator in Berlin. Mein Co-Founder Maximilian und ich haben an einigen Payment- und Banking-Themen gearbeitet und festgestellt: riesige Industrie, große Unternehmen, ganz wenig Innovation. Also haben wir uns gesagt: Lass uns etwas gründen (lacht). Gerade das Thema Banking klingt von außen oft komplizierter als es ist. Unser Ziel war, ein scheinbar schwieriges Produkt zu vereinfachen …

Habt ihr gewusst, dass es funktioniert?

Wissen kann man das wohl nie. Aber unser Businessmodell hat gegenüber dem traditionellen Bankwesen 2 ganz entscheidende Vorteile: Einerseits ist die Idee gut skalierbar – ob wir die App für eine, 5 oder 10 Millionen Kund/innen machen, ändert nicht viel an der Unternehmensstruktur. Andererseits sind die Mitbewerber wenig agil aufgebaut und haben sich noch nicht intensiv mit digitalem Banking beschäftigt. Das war unsere Stärke!

Und ihr habt ja ganz stark expandiert …?

Ja. Am Anfang hatten wir gerade einmal für 2-3 Monate Finanzierung durch Angel-Investor/innen, heute haben wir eine Banklizenz. Zu Beginn waren wir 5 Leute in einem Shared-Office-Space, heute haben wir 1.500 Mitarbeiter/innen und Standorte in Barcelona, Berlin, Wien, São Paulo und New York. Und wir wachsen weiter – wobei wir unseren Expansionskurs jetzt stark auf die Kernmärkte konzentrieren. Es gibt noch so viel Potenzial in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien. Und auch die USA sind ein riesiger Wachstumsmarkt, allein hier können wir 300 Millionen Amerikaner/innen erreichen.

Wie haben sich Corona und der Lockdown auf das Business ausgewirkt?

Wir bemerken natürlich schon, dass die Konsument/innen beim Ausgeben zurückhaltender geworden sind. Andererseits gewinnt „banking from home“ gerade extrem an Popularität. Denn wer geht heute gerne persönlich in eine Bankfiliale?!

Stichwort persönlich: Glaubst du, wird die Arbeitswelt Post-Corona nur noch remote stattfinden?

Das wäre nicht sinnvoll. Persönliche Treffen haben große Vorteile. Wir leben in einer Zeit, in der sich alles so schnell ändert: Durch die persönliche Interaktion kann man Dinge wieder in andere Perspektiven oder Relationen setzen. Und wenn ich Projekte vorantreiben, dabei etwas lernen und Erfolge feiern will, dann werde ich auch vor Ort sein müssen – vielleicht nicht immer, aber zumindest manchmal.

Was war deine größte Herausforderung beim Aufbau des Business?

Im ersten Jahr haben wir alles auf ein Produkt – eine Prepaid-Taschengeld-Karte für Kinder – gesetzt und dafür auch 500.000 Euro von Investor/innen geraised. Doch wir waren nicht überzeugt! Und so haben wir nach 12 Monaten Arbeit gesagt: „Ok, das werfen wir jetzt weg“, und haben uns ganz auf das digitale Bankkonto konzentriert. Zu dem Zeitpunkt hatten wir fast kein Geld mehr, mussten die Mitarbeiter/innen überzeugen, diesen kompletten Turn mitzumachen und gleichzeitig neue finanzielle Mittel aufstellen. Das war schon eine toughe Zeit!

Aber der Turn war die richtige Entscheidung?

Absolut! Und ich glaube sowieso, dass man an jeder Entscheidung wächst – und wenn man das Learning daraus teilt, bekommt man sogar noch mehr Impact.

Ist das ein Skill der heutigen Zeit, flexibel zu agieren und auch loslassen zu können?

Es ist wichtig, sich ständig weiterzuentwickeln und immer weiterzubilden. Die Lernkurve hört nach dem Studium nicht auf – im Gegenteil, sie beschleunigt sich im Job. Die Technologien überholen sich heute so schnell, da muss man immer an den Entwicklungen dranbleiben, offen sein und sich neuen Gegebenheiten anpassen.

Wie kann die WU auf diese Skills vorbereiten?          

Das Studium muss so flexibel gestaltet sein, dass man Modelle und Theorien nicht nur auswendig lernt, sondern sie vielmehr versteht. Nur so kann ich mein Wissen auch auf die Businessmodelle von morgen anwenden – die ich heute ja vielleicht noch gar nicht kenne. Außerdem ist auch das Thema Digitalisierung sehr wichtig! Heutzutage funktioniert alles digital – und mir als Unirat der WU ist es ein großes Anliegen, im Studium Akzente zum Aufbau der Digitalkompetenz zu setzen.

War es für dich eigentlich immer schon klar, dass du einmal gründen willst?

Nach meinem Studium in St. Gallen habe ich mir – wie wahrscheinlich alle Absolvent/innen – sehr genau überlegt, ob ich nicht in einen „klassischen Bereich“ wie Beratung oder Consulting mit vorgegebenen Karrierestufen einsteigen möchte. Aber persönliches Development war mir immer wichtiger als die Brand – auch wenn der Name eines großen Konzerns im CV sicher Eindruck macht. Und so habe ich mich ganz bewusst nach Industrien umgeschaut, die wachsen: In einer Branche, die sich jedes Jahr verdoppelt oder verdreifacht hat man ja mit einer guten Performance ganz andere Aufstiegschancen. Man kann viel effektiver arbeiten, rascher Verantwortung übernehmen und hat viel mehr Impact in seinem täglichen Arbeiten. Also habe ich die Angebote von Investmentbanken und Beratungen abgesagt und das Angebot in der Start-up-Branche angenommen.

Welchen Tipp hast du für Studierende, um die richtigen Karriereentscheidungen zu treffen?

Natürlich ist es vor allem ganz wichtig, dass man mit Begeisterung bei der Sache ist – dass der Job interessiert und die Arbeit Spaß macht. Wenn ich z. B. überlege zu gründen oder in einem Start-up mitzuarbeiten, dann werde ich sicher offen für Risiko, kreativ und flexibel sein müssen. Darüber hinaus sind aber auch strategische Aspekte bei der Entscheidung wichtig. Welches Wachstumspotenzial hat die Industrie? Muss mein/e Vorgesetzte/r erst das Unternehmen verlassen, damit ich eine Chance habe, aufzusteigen? Es macht das Leben so viel einfacher, wenn ich in einer Industrie bin, die sehr stark wächst, als wenn ich in einer Branche bin, die nur schrumpft. Und einmal mehr: Mit soliden Digitalkompetenzen hat man in jedem Job einen Vorteil.

Vielen Dank für das Gespräch!

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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