Bild: © Brooke Cagle / unsplash

Wie können Karrieren in der EU aussehen? Wir treffen Barbara und Andreas zum Online-Call – sie arbeitet beim Europäischen Auswertigen Dienst in Brüssel, er bei der Inter-American Development Bank in Washington DC. Beide haben ihre berufliche Laufbahn mit dem Blue Book Traineeship bei der Europäischen Kommission gestartet. Was hat sie dazu bewogen, sich für ein Traineeprogramm bei der EU zu bewerben? Wie waren ihre Jobstationen danach? Und wie haben sie von dem Traineeprogramm profitiert?

Ein Traineeprogramm bei der Europäischen Union – wie kam es dazu?

Barbara: Ich war immer schon an gesellschaftlichen Vorgängen interessiert, das liegt in meiner Familie. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind noch vor 1995 ein Buch bekommen habe, in dem der ganze europäische Kontinent abgebildet war und alle Kinder in der jeweiligen Sprache „Hallo“ gesagt haben. Und ich dachte mir: „Wow, irgendwann werde ich all diese Sprachen sprechen. Weil das ist Europa. Das ist die Zukunft.“ In meinem WU Studium habe ich dann innerhalb meiner Spezialisierung Public Management den tollen Kurs zu EU Governance und Management besucht – wir haben den Entscheidungsfindungsprozess der EU zu einer neuen Richtlinie analysiert und waren auch einmal projektbasiert im Haus der Europäischen Union. Da hat sich mein Berufswunsch immer deutlicher herauskristallisiert. Nach meinem Master mit Schwerpunkt Europäische Außenpolitik in London habe ich mich für das Blue Book Traineeprogramm beworben und bin dann direkt nach Brüssel gezogen.

Andreas: Auch ich war immer schon von der Idee der Europäischen Union und der Arbeit der Kommission überzeugt. Also habe ich an der WU den Schwerpunkt Sozioökonomie gewählt und im Anschluss mein Masterstudium in internationaler Entwicklung in Paris absolviert. Da ich immer mehr das Gefühl bekam, einmal im öffentlichen Sektor arbeiten zu wollen, war das Blue Book Traineeprogramm eine ideale Gelegenheit, um Anknüpfungspunkte zu finden.

Und wie war der Ablauf? Woran habt ihr gearbeitet?

A: Gleich bei der Ankunft in Brüssel gab es, zusammen mit den 700 anderen Trainees, eine Einführung in die EU und ihre Institutionen. Man erfuhr, wie die EU aufgebaut ist und wer wofür zuständig ist. Dann gab es auch schon die ersten gemeinsamen Aktivitäten. Jede/r Trainee bekam außerdem eine/n Mentor/in bzw. Supervisor zur Seite gestellt, der/die durchs Traineeprogramm begleitete. Wie die einzelnen Aufgaben im Arbeitsalltag tatsächlich aussahen, hing aber stark von dem Department ab, dem man zugeteilt war. Ich habe z. B. in meiner Institution, der DG MARE (Anmerkung: Directorate-General  = Generaldirektionen der EU-Kommission), einen „report on the blue economy in the Mediterranean and the Black Sea“ geschrieben. Dieser hat sogar interne Verwendung gefunden.

B: Wie Andreas schon sagt, ist es wirklich von DG zu DG unterschiedlich, wie die Traineeprogramme gestaltet sind. Manche DGs nehmen regelmäßig Trainees auf und haben demzufolge ein ganz anderes Programm als Institutionen, die weniger Routine mit Trainees haben. Ich habe mein Traineeship bei der European Defence Agency, also der Europäischen Verteidigungsagentur, gemacht. Ich war damals die erste Trainee überhaupt in dieser Agentur – es war also für alle neu. Ich hatte mein eigenes Dossier, das mir zugeteilt wurde.

Hat man Einfluss darauf, in welche Institution oder Agentur man kommt?

A: Welcher Institution man letztendlich zugeteilt wird, ist für eine/n selbst meist eine Überraschung. Denn die Zuteilung erfolgt, indem sich die verschiedenen Abteilungen der Kommission selbst ihre Kandidat/innen aus dem sogenannten Blue Book, also der Liste bzw. Datenbank an Kandidat/innen, auswählen. Das heißt, man bewirbt sich mit den Bewerbungsunterlagen, wird nach der ersten Selektion in das Blue Book aufgenommen und dann im Idealfall von einem DG ausgesucht und kontaktiert. Eventuell kann man ein wenig nachhelfen, indem man als angehende/r Trainee selbst Lobbying betreibt und proaktiv die DGs der Wahl anschreibt – mit dem CV, der Bewerbungsnummer und 2 bis 3 Absätzen, warum man genau in der Abteilung arbeiten möchte. Ich habe das aber nicht gemacht und bin letztendlich vom DG for Maritime Affairs and Fisheries als Trainee gewählt worden.

B: Ich habe schon diverse DGs angeschrieben und mich bei ihnen sozusagen noch einmal selbst beworben. Letztendlich habe ich dann aber ein Traineeprogramm bei der Verteidigungsagentur angenommen. Diese habe ich zuvor nicht kontaktiert, sondern sie haben mich selbst über das Blue Book gefunden.

A: Ich glaube, es ist relativ egal, in welchem DG man für das Traineeprogramm landet. Denn es geht primär darum, den Ablauf und die Kommission an sich kennenzulernen. Natürlich ist es fein, bereits themenspezifisch im eigenen Fachgebiet zu arbeiten, aber ich denke das primäre Ziel sollte sein, überhaupt einen Traineeplatz zu bekommen.

Wie war der Bewerbungsprozess?

A: Anhand der Bewerbungsunterlagen wird entschieden, ob man in das Blue Book, die Datenbank potenzieller Trainees, kommt. Aus diesem Blue Book wählen die einzelnen Agenturen ihre Trainees. Dann wird man informiert, ob man ein Traineeship bekommen hat oder nicht. Manche DGs führen zusätzlich noch Bewerbungsgespräche. Ich hatte allerdings keines.

B: Ich hatte sogar 2. Hier ging es aber primär darum, zu sehen, ob man sich gegenseitig sympathisch ist und die Chemie stimmt.

Das Traineeprogramm ist jetzt 5 Jahre her. Wie ging es dann in euren Karrieren weiter?

B: Ich bin in Brüssel geblieben. Zuerst wurde mir direkt in der European Defence Agency ein fixer Job angeboten, den ich für ein weiteres Jahr ausübte. Und auch danach bin ich in der europäischen Außenpolitik geblieben. Seit Jänner 2020 arbeite ich im Europäischen Auswertigen Dienst, dem diplomatischen Dienst der EU, der die Konsensfindung unter den 27 Mitgliedsstaaten leitet und unterstützt. Ich bin für die inhaltliche Vorbereitung der Sitzungen des politischen und sicherheitspolitischen Komitees verantwortlich. Was brauchen die 27 Mitgliedsstaaten, um eine gut informierte Entscheidung zu treffen? Wie werden sie auf Vorschläge reagieren? Es ist eine sehr konsultative, koordinierende und inhaltlich spannende Arbeit, die unmittelbar am Puls der Zeit ist.

A: Meine Geschichte ist ein bisschen anders – ich habe nach dem Blue Book Traineeship entschieden, noch weitere Erfahrungen in der Privatwirtschaft zu sammeln. Also war ich nach meinem Masterabschluss einige Jahre als Consultant tätig. Aber mein Interesse am öffentlichen Sektor ist mir geblieben und so habe ich im Herbst 2020 zur Inter-American Development Bank nach Washington DC gewechselt. Ich versuche dort, „the best of both worlds“ einzubringen. Denn ich glaube, dass mir meine Erfahrungen aus der Privatwirtschaft – das Kennen von Strukturen und Prozessen – auch im öffentlichen Bereich nützlich sind.

Rückblickend: Wie habt ihr von dem Traineeprogramm profitiert?

B: Das Blue Book Traineeprogramm ist hoch angesehen und ein guter Türöffner für weitere Jobs – sei es im Public Management oder in der Privatwirtschaft. Innerhalb kürzester Zeit bekommt man viele Einblicke und lernt viele neue Leute kennen. Ich wurde sehr offen und freundlich aufgenommen und der Austausch war rege. Eine Anfrage genügte, um mit einer Person auf einen Kaffee zu gehen. Diesen Tipp möchte ich auch allen mitgeben, die sich für ein Traineeprogramm interessieren: Eigeninitiative zahlt sich aus. Je mehr man anbietet, desto mehr kann man mitnehmen.

A: Das sehe ich genauso. Das Traineeship ist ein super Learning für den Berufseinstieg, man bekommt einen tollen Einblick in die Arbeitskunde. Wie arbeitet man verschiedene Sachverhalte auf? Wie läuft die Zusammenarbeit der verschiedenen Direktorate der Kommission ab? Wie sind die einzelnen Abläufe? Darüber hinaus ist ein toller Vorteil des Programms, dass man 5 Monate in Brüssel ist und sich ein cooles Netzwerk an neuen Leuten aufbaut. Man war mit Leuten aus den verschiedensten Ländern im Team und hat an komplexen Fragestellungen gearbeitet sowie herausfordernde Entscheidungsfindungsprozesse mitbekommen. All das ist super relevant – sowohl für eine Karriere im öffentlichen als auch im privaten Sektor.

Vielen Dank für das Gespräch!


Interessiert am Traineeprogramm?

Es gibt eine Vielzahl an möglichen Praktika oder Traineeprogrammen innerhalb der EU – bei Vertretungen im Ausland, im Europäischen Parlament oder anderen Institutionen. Andreas und Barbara sind beide, sogar zufälligerweise im selben Jahr, im Blue Book Traineeship eingestiegen. Dieses startet zweimal jährlich, im Februar und Oktober, und dauert 5  Monate. 900 Trainees bekommen so zweimal pro Jahr die Chance, die Abläufe der Europäischen Kommission näher kennenzulernen. Wenn du dich für das Blue Book Traineeship interessierst, dann melde dich bei:

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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