© Foto: Cochic Photography

Ich habe Regina Gruber bei unserem Karriere-Event „Lange Nacht der Unternehmen“ kennengelernt. Wir haben uns über ihren Karriereweg unterhalten – regelmäßige Business-Trips nach China, Deutschland, Großbritannien oder ins Silicon Valley waren genauso Thema wie die Erfahrung von Burnout und eine ungeplante Schwangerschaft mitten im Karrierehoch. Viele Lebensstationen, viele Herausforderungen – aber Regina strahlt. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in meinem Leben irgendeinen Schritt geplant hätte. Nicht einen“, erzählt sie. Wie das Leben so spielt? Wir sprechen über die Vereinbarkeit von Kind und Karriere, Learning by Doing, Pläne und Grenzen.  

Wenn man sich deine Karriere ansieht, entdeckt man viele internationale Stationen …

Die Liebe zur Internationalität kommt aus meiner Familie. Mein Vater war in vielen verschiedenen Ländern berufstätig und so sind wir immer viel gereist. Ich spreche auch viele Sprachen – mathematisch, chemisch und physikalisch bin ich zwar eine Null, dafür bin ich sprachbegabt (lacht). Ich wollte immer schon in einem internationalen Umfeld bzw. Konzern arbeiten. Denn selbst, wenn man sich dort auf regionale Tätigkeiten konzentriert, kann man sich international weiterentwickeln.

War auch dein erster Job nach dem Studium mit internationalem Fokus?

Ja. Nach meinem BWL- und Wirtschaftspädagogikstudium an der WU bin ich zu Magna in die Automobilindustrie gegangen. Ich habe in einer typischen Einstiegsposition angefangen und war für Mitarbeiter*innenbefragungen in ganz Europa zuständig. Befragungen führen immer zu Maßnahmen – und so wurde mein Interesse für Unternehmenskultur und Change-Management geweckt. Und da ich nicht auf den Mund gefallen bin, habe ich kurzerhand das Top-Management gefragt, ob ich beim Kauf einer Firma und der entsprechenden Integration mitwirken kann …

Du bist mit deinem Wunsch direkt zum hohen Management gegangen?

Genau, meine damalige Führungskraft hat mich unterstützt und so bin ich mit 24 Jahren nach Deutschland gezogen. Ich war zwar noch sehr jung, aber: Learning by Doing. Die Grundkompetenzen „Organisation“, „Wertschätzung“, „Kommunikation“ etc. muss man mitbringen. Alles andere kann man sich aneignen: durch Expert*innen, Bücher, das Internet oder Weiterbildungen.

Wie ging es dann weiter?

Mit 27 Jahren betreute ich für Magna Steyr Engineering Deutschland die Standorte und Mitarbeiter*innen der großen Marken – BMW hatte z. B. gerade die Produktion und auch das Engineering nach China übersiedelt und ich war unter anderem für die Mitarbeiter*innenverlegung zuständig. Wir haben unsere Mitarbeiter*innen zu dieser Zeit verzehnfacht, ich habe mein Wissen verhundertfacht (lacht). Bis ich im Burnout landete …

Was führte zum Burnout?

Beim Burnout spürst du keine Grenzen mehr. Der Job hat plötzlich eine so hohe Wertigkeit und du steckst emotional so tief drinnen, dass du nicht mehr Stopp sagen kannst. Burnout hat ja zudem auch immer mehrere Komponenten – wenn ein Dominostein fällt, fallen die anderen mit. Bei mir hat der Tod meiner Eltern innerhalb kürzester Zeit eine große Rolle gespielt, ich war allein in München und fühlte mich ohne Wurzeln. Es ist ein Irrglaube, dass es immer noch weitergehen kann – beim Burnout geht nichts mehr weiter. Und der Weg zurück – bis du wieder an die Leistungs- und Denkfähigkeit kommst – ist sehr hart. Ich war in Therapie, habe mir bewusst eine Auszeit genommen, eine Weltreise gemacht und mich praktisch neu erfunden.

Wie blickst du heute auf diese Zeit zurück?

Ich habe viel aus dem Burnout gelernt – über meine Leistungsfähigkeit, Grenzen und Wertigkeiten. Auch mein Verständnis als Führungskraft hat viel profitiert: Wie führe ich Mitarbeiter*innen? Wann sage ich „nein“ – auch für mein Team? Der Begriff „Work-Life-Balance“ ist per se so ausgelutscht. Aber Mental Health und der Fokus auf gesunde Ernährung, Sport, Fitness, Resilienz etc. sind einfach sehr wichtig. Auch meine Mitarbeiter*innen sollen sich ein Bewusstsein für ihre Grenzen erlauben.

Wie hast du nach dem Burnout wieder beruflich Fuß gefasst?

Ich bin zurück nach Österreich gegangen und habe in die IT-Branche gewechselt. Ich bin zwischen Innsbruck, London und dem Silicon Valley gependelt – oft war ich 90 Prozent meiner Arbeitszeit unterwegs. Ich habe das Reisen geliebt. Aber dann wurde ich mit 35 Jahren schwanger – für mich war es ein absolutes Wunschkind, für meinen Partner leider nicht. Er hat sich bald verabschiedet und so war schnell klar, dass ich alleinerziehend sein werde …

Alleinerziehend und 90 Prozent Reisetätigkeit?

Corona hat mir hier wirklich in die Hände gespielt. Durch den Lockdown konnte ich nach der Geburt meines Kindes meinen Job gleich wieder antreten. Gerade alleinerziehend ist man auf jeden Cent angewiesen und durch eine Karenz hätte ich natürlich Gehaltseinbußen gehabt. Nach dem Lockdown habe ich mir ein Au Pair genommen und durch die Remote-Arbeit war auch die Reisetätigkeit vorerst kein Thema. Und trotzdem wurden Kind und Karriere bei diesem Arbeitgeber schwierig …

Inwiefern?

Sagen wir so: Du bist Vollzeit-Mama, du hast einen Vollzeit-Job, du möchtest Spuren hinterlassen – aber du brauchst einen passenden Rahmen. Also wollte ich aus meinem Job das Tempo herausnehmen und nicht mehr so viel international tätig sein. So habe ich mich entschieden, bei REWE als Leitung für den Bereich HR-Services einzusteigen. Vorerst dachte ich ja, dass es nun ein entspannterer Job wird, aber de facto ging es genauso dynamisch weiter. Und in Wirklichkeit brauche und liebe ich es auch so. Schlussendlich möchte ich gemeinsam mit meinem Team für unsere Mitarbeiter*innen etwas bewirken.

Wie klappen also Kind und Karriere?

Du brauchst einen Arbeitgeber, der dich selbst priorisieren lässt. Der dir die Möglichkeit gibt, selbst zu entscheiden, worauf du dich gerade fokussierst. Der weiß, wie viel Frauen oder generell Personen mit Kindern leisten, und der die „Doppelverantwortung“ unterstützt. Es ist so wichtig, dass man sich auch von der Arbeit abgrenzen kann, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Und das geht nur, wenn man die richtigen Führungskräfte hat. Und genau diese habe ich bei REWE und jetzt auch bei Bipa gefunden. Die Überschriften sollten „wenig Bürokratie“ und „viel Flexibilität und Vertrauen“ sein. Natürlich muss man sich aber schon bewusst sein, dass „Kind und Karriere“ auch Verzicht bedeutet – im Privatleben und/oder im Job. Das Leben ändert sich schlagartig, in der ersten Zeit mit meinem Sohn dachte ich, ich müsse sterben (lacht). Stillen ist ein Vollzeitjob – das war mir vor meiner Mutterschaft gar nicht bewusst!

Du hast dann auch ein zweites Kind bekommen?

Mein Sohn hat sich zu Weihnachten 2021 eine Schwester gewünscht. Und ich dachte mir: Warum eigentlich nicht? Ich bin zwar alleinerziehend, aber auch in einer Partnerschaft gibt es Challenges mit Kindern. Also habe ich mich für eine künstliche Befruchtung entschieden. Und mein Sohn bekam tatsächlich eine Schwester (lacht).

Wie sieht ein typischer Arbeits- bzw. Familien-Tag von dir aus?

Ich stehe jeden Tag um 5 Uhr auf und dann gehe ich mit meinem Hund eine Runde – ich habe ihn seit dem Burnout, um bewusst Pausen zu machen. Dann folgt der erste Blick in den Kalender, ich bereite die Jausenbox vor und bringe die Kinder in den Kindergarten. Um 7:30 Uhr bin ich im Office und bis 15 Uhr fix in Terminen. In der Regel holt eines meiner beiden Kindermädchen die Kinder ab, so kann ich weiterhin im Büro bleiben. Manchmal durchaus auch länger, weil ich da konzentriert arbeiten kann und somit am Wochenende freigespielt bin für unser Familienleben. Teilweise hole ich meine Kinder um 15 Uhr aus dem Kindergarten ab und dann ist bis 20 Uhr volles Zuhause-Programm: spielen, aufräumen, Abendessen, Kinder ins Bett bringen, Bücher vorlesen. Danach arbeite ich meistens noch etwas fürs Büro. Die Tage sind also sehr dicht und man muss ein hohes Maß an Resilienz aufweisen. Aber: Die Kinder werden größer und ich sage mir oft wie ein Mantra: Es wird besser, es wird besser, es wird besser (lacht).

Rückblickend: Hast du deine Karriere so geplant?

Nein (lacht). Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in meinem Leben irgendeinen Schritt geplant hätte. Wenn mich also Studierende fragen „Ich möchte eigentlich Karriere machen, aber ich möchte in 4 Jahren auch Kinder. Wie mache ich das?“, denke ich mir immer: Warum nicht einfach die Dinge auf sich zukommen lassen? Planen kann man sowieso nichts. Die Welt ist total im Wandel, Berufsgruppen ändern sich permanent und die Karriere bei dem einen Unternehmen gibt es sowieso nicht mehr. Man kann die ganzen Schritte im Vorfeld gar nicht planen – sie ergeben sich vielmehr. Umweltfaktoren ändern sich, Prioritäten und Wünsche ändern sich und oft kommt auch der Zufall ins Spiel …

Also „go with the flow”?

Ja natürlich! Es hilft aber ungemein, wenn man sich selbst reflektiert. Wo liegen meine Stärken? Wer bin ich und wer möchte ich sein? Möchte ich in den Vordergrund in eine Führungsrolle oder lieber Expert*in sein? Worauf bin ich bereit zu verzichten, um anderen Dingen Raum zu geben? Wie dann die Details dieses Weges aussehen – das ergibt sich.

Welchen Tipp gibst du Studierenden?

Bleib immer offen und setze auf Learning on the Job. Du musst nicht alles schon können, wenn du dich bewirbst. Trau dich mal – die Dinge werden sich weisen. Resilienz ist auch wichtig: Manchmal ist es einfach nicht schlecht, abzuwarten und zu sagen: „Gut, dann ist es jetzt halt 1, 2, 3 Jahre so.“ Aber es sind de facto nur 1, 2, 3 Jahre, in denen du trotzdem wirksam sein kannst. Und, ganz wichtig: „Fix the basics.“ Die Basis muss funktionieren, sonst kannst du gar nicht strategisch arbeiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto Regina Gruber

© Cochic Photography


Auf welche Frage hättest du gerne eine Antwort?
Was tut der Staat gegen Altersarmut – gerade bei Personen mit Kindern, die in Karenz gehen?

Wenn du eine Superkraft hättest, welche wäre es?
Klonen.

Was würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?
Meine Kinder.

Was ist dein Power-Song?
Reinhard Meys „Mein Apfelbäumchen“ und „You‘ll be in my heart” von Phil Collins.

Was würdest du deinem 18-jährigen Ich sagen?
Chill mal ein bisschen.

Du in 3 Worten.
Dynamisch. Vielseitig. Umsetzungsstark.

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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