Südafrika, Äthiopien, Indonesien, Bangladesch und nun Südkorea – WU Absolvent Andreas Heuberger blickt auf viele internationale Karrierestationen zurück. Wie er zur EU kam und was das Besondere an seinem Arbeitsalltag ist, erzählt er im Interview.

Wie hast du dein WU Studium in Erinnerung und wie hat es dich auf deine spätere Laufbahn vorbereitet?

Ich habe mein BWL-Studium an der WU 2006 noch auf dem alten (und oftmals völlig überfüllten) Campus in der Althanstraße abgeschlossen und damals als Spezialisierung Personalmanagement und Verhaltenswissenschaftlich Orientiertes Management sowie Soziologie und Arbeits- und Sozialrecht als Wahlfächer gewählt, weil mich Menschen und ihre Verhaltensweisen immer schon mehr interessierten als nur Zahlen. Ich habe seit Beginn meines Studiums Vollzeit gearbeitet, damals als Regisseur und Produktionsleiter beim ORF und Privatfernsehen, und eigentlich immer nur „nebenbei“ studiert, weshalb mein Studium an der WU auch über 10 Jahre gedauert hat. Nach meinem Abschluss als Magister an der WU habe ich an der Andrássy Universität in Budapest noch in Rekordzeit mit einem „summa cum laude“ das postgraduale Studium „Internationale Angelegenheiten“ abgeschlossen. Meine Masterarbeit „Sicherheitspolitische Auswirkungen des Klimawandels für die EU“ wurde mit dem Karl-Rath-Preis 2008 (DUG Berlin) ausgezeichnet und ließ schon mein Interesse für EU-Themen erkennen.

Wie bist du zur EU gekommen?

Ich war immer schon an EU-Themen interessiert, habe mich aber erst sehr spät mit Mitte 40 bei der EU beworben, nachdem ich über 10 Jahre lang im österreichischen Außenministerium als österreichischer Konsul und Kanzler (Leiter der Verwaltung) an den Botschaften in Jakarta (Indonesien), Singapur und Addis Abeba (Äthiopien) sowie an der österreichischen Botschaft in Pretoria (Südafrika) tätig war. Obwohl ich meine Tätigkeit als Konsul und Kanzler als sehr spannend und abwechslungsreich empfunden habe, wollte ich mir für die verbleibenden 20 Jahre bis zur Pension lieber noch eine weitere neue Herausforderung suchen.

Wie war deine Bewerbung?

Bewerbungen bei der EU erfolgen nicht unmittelbar auf einen speziellen Arbeitsplatz, sondern meist über ein Auswahlverfahren (auch Concours genannt) für eine „Reserveliste“ vorausgewählter Kandidat*innen. Von diesen Reservelisten wird dann für einzelne ausgeschriebene Arbeitsplätze rekrutiert. Bei meinem Auswahlverfahren speziell für Heads of Administration 2015 waren 30 Plätze auf der Reserveliste zu besetzen und es gab weit über 3000 Bewerber*innen, d. h. weniger als jede*r 100. Bewerber*in hatte eine Chance, in die Reserveliste übernommen zu werden. Das Bewerbungsverfahren dauerte über ein Jahr und lief in mehreren Stufen ab (Computertests in Testzentren, Fallstudien, Bewertung der bisherigen Berufserfahrung etc. bis hin zu Assessment-Center in Brüssel mit mehreren Panel-interviews usw.). Es war sehr kompetitiv und fordernd, aber eine sehr interessante Erfahrung. Bei allgemein gehaltenen EU-Auswahlverfahren, z. B. für WU Absolvent*innen, sind über 15.000 Bewerber*innen für ein paar Dutzend Plätze auf der Reserveliste auch keine Seltenheit. Alle Informationen findet man unter: https://epso.europa.eu/de.

Man sollte auch unbedingt wissen, dass alle möglichen verschiedenen Berufe und Tätigkeiten ausgeschrieben werden, nicht nur für WU oder Jus-Absolvent*innen, sondern z. B. Sekretär*innen oder Kindergärtner*innen genauso gesucht werden bzw. exzellente und interessante Jobaussichten haben.

Was sind deine Aufgaben und wie sieht dein beruflicher Alltag aus?

Als Head of Administration an einer EU-Delegation (sozusagen einer „Botschaft“ der EU im Ausland) unterstütze ich den*die Botschafter*in bei der Erfüllung seiner*ihrer Aufgaben, speziell hinsichtlich aller administrativen Erfordernisse. Ich bin für HRM bzw. Personalmanagement, Legal Compliance, Budget Management and Treasury, Procurement and Contract Management, IT, Facility Management sowie Safety and Security zuständig. In Bangladesch hatte ich 16 Mitarbeiter*innen in meiner Verwaltungsabteilung, um diese Aufgaben zu erfüllen. Darüber hinaus koordiniere ich die administrative und konsularische lokale Zusammenarbeit mit den Botschaften der Mitgliedsstaaten vor Ort und bin mit dem koreanischen Außenministerium in ständigem Kontakt bezüglich protokollarischer und administrativer Fragen.

Dazu kommen diverse Sonderaufgaben, wie zum Beispiel in den letzten Wochen einen diplomatischen VIP-Empfang für 400 Gäste für den EU-Tag am 9. Mai zu organisieren oder den „EU-Republic of Korea-Summit“ der 3 Präsidenten am 22. Mai protokollarisch und logistisch zu betreuen.

Was zeichnet die EU als Arbeitgeber aus?

Die Arbeit mit Kolleg*innen aus 27 Mitgliedsstaaten mit unterschiedlichen, individuellen sprachlichen und kulturellen Backgrounds ist eine sehr spannende Herausforderung, die einen täglich neu überraschen kann. Zu sehen, wie ein gemeinsames Ziel diese unterschiedlichsten Personen und Strategien schließlich dennoch vereint und wie viel man erreichen kann, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht, ist immer wieder ein positives Erlebnis.

EU-Institutionen bieten einen interessanten, vernünftig bezahlten, sicheren und spannenden Job, wenn man das Aufnahmeverfahren bestanden hat und als AST oder AD-Beamte*r fix angestellt wurde.

Als Beamter in der EU habe ich die Möglichkeit, nicht nur für den EEAS, den Europäischen Auswärtigen Dienst zu arbeiten, sondern kann mich jederzeit auf Stellen in der Europäischen Kommission, dem Rat, Parlament oder anderen Europäischen Institutionen bewerben, falls ich erneut neue Herausforderungen suchen würde.

Was sollte man mitbringen, wenn man für die EU arbeiten möchte?

Sprachkenntnisse sind sicher ein enormer Vorteil (viele sprechen 4-5 oder sogar mehr Sprachen), darüber hinaus Flexibilität, Neugierde und Offenheit für die Zusammenarbeit mit Menschen aus allen Ländern Europas, hohe Belastbarkeit, Dynamik und Interesse an einer internationalen abwechslungsreichen Tätigkeit.

Hast du Tipps für jene, die eine Karriere bei der EU anstreben?

Investiere frühzeitig in Sprachen und internationale Erfahrungen (z. B. Auslandssemester oder -praktikum). Obwohl es – wie man an meinem Beispiel sieht – selbst mit Mitte 40 noch nicht zu spät ist, sich zu bewerben, würde ich generell doch eher dazu raten, bereits frühzeitig (gleich nach dem abgeschlossenen Studium) mit einem (bezahlten) Praktikum in einer der Brüsseler Institutionen zu beginnen. Alle Informationen finden sich hier: https://epso.europa.eu/en/job-opportunities/traineeships.

Bild: © privat


Zuletzt gelesen habe ich: „Die Tochter“ von KIM Hye-Jin (südkoreanischer Roman, auch auf Deutsch übersetzt)

Hätte ich eine Superkraft, wäre es: die Zeit manipulieren zu können, z. B. um 6 extra Stunden täglich mit meiner Familie verbringen zu können.

Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort: Wird die Menschheit rechtzeitig begreifen, welcher Maßnahmen und Lösungen zur Rettung der Zukunft es dringend bedarf, oder werden wir Menschen als „Krone der Schöpfung“ von einer höheren Evolutionsstufe (z. B. KI) obsolet gemacht und in Bedeutungslosigkeit versinken?

Ich in 3 Worten: dynamisch, verbindlich, beziehungsorientiert

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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