Patrick Lobis hat an der WU Internationale Betriebswirtschaft studiert und seine Karrierelaufbahn war immer schon durch ein globales Umfeld gekennzeichnet – sei es in einem multinationalen Unternehmen, im Consulting oder bei den Vereinten Nationen. Heute ist er stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin und erzählt uns, was er am meisten an seinem Job schätzt.

WU Studium – wie hast du es in Erinnerung und wie hat es dich auf deine spätere Laufbahn vorbereitet?

Das Studium der WU (noch am „alten Standort“ Althanstraße im 9. Bezirk!) habe ich als äußerst abwechslungsreich in Erinnerung. Besonders gut hat mir schon damals die vielfältige Mischung von BWL- und VWL-Wissen, Sprachen, rechtlichen Grundlagen und Soft Skills gefallen. Sehr geschätzt habe ich auch die Internationalität mit den vielen Partner-Unis im Ausland, ich war über die WU in Montreal und in Paris. Das war eine sehr gute Basis für all meine beruflichen Stationen, sei es die Unternehmensberatung, internationale UN-Organisationen und jetzt die Europäische Kommission. Sehr wichtig sind für mich auch die engen Freundschaften, die im Studium entstanden sind und bis heute anhalten.

Wie bist du zur EU gekommen?

Ich war schon immer politisch interessiert, habe deshalb während des Studiums ein Praktikum bei einem Europaabgeordneten gemacht. Nach Studienabschluss an der WU habe ich erst einmal für ein Unternehmen in Zentral- und Osteuropa gearbeitet, habe dann aber für ein Traineeship zur Europäischen Kommission nach Brüssel gewechselt. Nach einem weiteren Studium in den USA ging es für mich erst mal zu einer Unternehmensberatung, erst danach bin ich wieder zur EU-Kommission zurückgekehrt. Man sieht also, man kann durchaus auch mit ein paar Umwegen bei den EU-Institutionen landen!

Um EU-Beamte*r zu werden, muss man ein Auswahlverfahren absolvieren, den sogenannten „Concours“. Dieser wird regelmäßig abgehalten und besteht aus mehreren Stufen, unter anderem einer schriftlichen Bewerbung, verschiedenen Tests, einer schriftlichen Prüfung und einem Assessment-Center. Daneben gibt es aber auch die Möglichkeit, für begrenzte Zeit bei den EU-Institutionen zu arbeiten, auch diese Stellen werden europaweit ausgeschrieben.

Was sind deine Aufgaben und wie sieht dein beruflicher Alltag aus? 

Derzeit arbeite ich an der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Eine solche Vertretung gibt es natürlich auch in Wien, in der Wipplingerstraße, meine Kolleg*innen dort freuen sich jederzeit über einen Besuch! Unsere Aufgabe ist es, die Positionen der Europäischen Kommission in Deutschland zu vertreten und zu kommunizieren. Wir verstehen uns aber auch als die „Fühler“ der Kolleg*innen in der Zentrale in Brüssel, halten sie über die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in den Mitgliedsstaaten auf dem Laufenden. Die Themengebiete sind sehr unterschiedlich und abwechslungsreich, die aktuelle politische Lage spielt dabei eine wichtige Rolle. Man ist in gewisser Weise „Mr./Ms. EU“, Ansprechperson für politische Akteure, wie etwa Abgeordnete, Ministerien oder Verbände, man muss also zu allen EU-Themen sprechfähig sein. Ich spreche auch auf vielen öffentlichen Veranstaltungen, besonders Bürgerdialoge machen mir Freude. So kann es gut sein, dass ich mich an einem Tag mit der Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg, dem European Green Deal und Energiefragen beschäftige, am nächsten Tag stehen dann vielleicht die digitale Transformation oder die Freihandelsabkommen der EU auf der Agenda. Als stellvertretender Leiter der Vertretung helfe ich dabei, dass alle Teams der Vertretung gut miteinander arbeiten. Dazu gehören auch administrative Aufgaben, wie etwa das Budget oder die Personalauswahl.

Was zeichnet die EU als Arbeitgeber aus?

Das Motto der EU lautet „In Vielfalt geeint“ und das gilt auch für die EU als Arbeitgeber. Die EU-Institutionen beschäftigen sich mit einer Vielzahl an Themen, vom Klimawandel über Digitales, Wirtschaftspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, Handel, es gibt kaum einen Bereich, in dem es nicht auch einen EU-Aspekt gibt. Es kommen stets neue Bereiche hinzu, wie etwa Gesundheit und Verteidigung. So vielfältig die Aufgaben, so vielfältig sind auch die Kolleg*innen, die Arbeit bei der EU-Kommission bildet also wirklich Europa ab. Die Arbeit bei der EU ist per Definition sehr international. Das betrifft natürlich die Mitgliedstaaten, aber es gibt auch jede Menge Kontakte außerhalb Europas, schließlich ist die EU ja die größte Handelsmacht und der größte Partner in der Entwicklungszusammenarbeit weltweit.

Besonders gefällt es mir, dass ich meine Arbeit als sinnstiftend empfinde, da ich an guten und wichtigen Initiativen mitarbeiten kann. Egal, ob Klimawandel, digitale Transformation oder geopolitische Herausforderungen: Um im 21. Jahrhundert bestehen zu können, brauchen wir eine starke und geeinte Europäische Union. Mit der Arbeit bei den EU-Institutionen kann man einen kleinen Beitrag dazu leisten.

Was sollte man mitbringen, wenn man für die EU arbeiten möchte?

Ich denke, dass vor allem Flexibilität und Neugier gefragt sind. Auf die EU kommen ständig neue Herausforderungen zu, sei es die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine oder der Kampf gegen den Klimawandel. In den großen globalen Fragen, gerade auch in Krisen, übernehmen die EU-Institutionen neue und wichtige Aufgaben. Das schlägt sich auch in der Arbeit für die Europäische Kommission nieder. Daher sollte man Freude daran haben, sich rasch in neue Themen einzuarbeiten, flexibel auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren und dann innovative Lösungen zu entwickeln. Ebenso wichtig sind gute Kommunikationsfähigkeiten, um die Vorschläge dann auch entsprechend vermitteln zu können, und Organisationstalent. Gute Sprachkenntnisse sind natürlich ebenfalls von Vorteil.

Hast du Tipps für jene, die eine Karriere bei der EU anstreben?

Alle EU-Institutionen bieten Praktika für Studierende und/oder Traineeships für Absolvent*innen an. Das ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Tätigkeit im EU-Umfeld hautnah zu erleben und erste Erfahrungen zu sammeln. Die Plätze sind allerdings in ganz Europa heiß begehrt. Es ist also durchaus von Vorteil, wenn man schon erste Berufserfahrung mitbringt, ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Bereich, das ist dabei sekundär. Ich würde zusätzlich empfehlen, ein bisschen internationale Erfahrung zu sammeln, sich mit politischen Zusammenhängen auf europäischer Ebene auseinanderzusetzen – all das ist für eine Karriere bei der EU sicherlich von Vorteil.

Bild: © European Union, 2021


Zuletzt gelesen habe ich: „Die Erweiterung“ von Robert Menasse

Hätte ich eine Superkraft, wäre es: an mehreren Orten gleichzeitig sein.

Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort: Frei nach dem gleichnamigen Buchtitel: „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele“

Ich in 3 Worten: vielseitig, international – und hoffentlich humorvoll

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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