Foto: Sven Serkis, © QVC

Ein Telefonat nach Berlin. Ich erwische Designerin Marina Hörmanseder, wie sie gerade zwischen Familien- und Arbeitszeit jongliert. „Ich versuche alles so spontan wie möglich zu gestalten und cool zu bleiben. Es kommt, wie es kommt – das ist, glaube ich, auch das Einzige, was klappt, ohne durchzudrehen“, lacht sie.

Man kennt Marina Hörmanseder für ihre unkonventionelle Mode mit starken Kontrasten und extravaganten Schnitten. Stars wie Ashley Graham, Blümchen, Heidi Klim und Bill Kaulitz tragen ihre Kreationen – die Wienerin war mit ihren Fashion-Shows schon unter anderem in Wien, Berlin, Porto und Dubai. Sie designte Kollektionen für Palmers, About You und Buffalo Boots und war Jurorin bei Austria‘s sowie Germany‘s Next Topmodel. Und: Sie hat an der WU studiert.

Du hast an der WU Betriebswirtschaft studiert. Jetzt bist du eine Star-Designerin und führst in Berlin ein Fashion-Business. Wie kam es dazu?

Nach der Kombi von Wirtschaftsstudium und Modedesign werde ich tatsächlich in jedem Interview gefragt (lacht). Und es ist auch wirklich außergewöhnlich: Die meisten Designer*innen haben rein Mode- und Kunstausbildungen. Mir werden auch andere Kompetenzen zugeschrieben – und für mein Unternehmen ist es natürlich super, dass ich neben den kreativen Ideen auch Hintergrundwissen über Umsatz, Kostenrechnung etc. habe.

Was nimmst du für deinen Job von der WU mit?

Vieles – auch wenn es kein Geheimnis ist, dass ich nicht die beste Studentin mit den besten Noten war. In Buchhaltung bin ich z. B. viermal angetreten und habe erst in der Kommissionellen an der WU bestanden. Heute habe ich die Buchhaltung zwar outgesourct (lacht), kann aber trotzdem mitreden und bin bei Fragen nicht völlig aufgeschmissen. Ich glaube, es geht letztendlich nicht um einen Notenschnitt oder das Reinkommen in eine SBWL. Man muss vielmehr lernen, die Werkzeuge, die einem die WU mitgegeben hat, zu benutzen. Ich habe z. B. Wirtschaftsgeschichte und -informatik als Spezielle gemacht, da es für Entrepreneurship nicht gereicht hat. Und jetzt bin auch selbstständig. Die Dinge, die man in der Karriere braucht und noch nicht kann, muss man sich halt selbst beibringen. Das ist im Leben immer so.

Wann hast du deine kreative Ader und die Liebe zur Mode entdeckt?

Mit 14 hat mir meine Mutter auf ihrer alten Nähmaschine das Nähen beigebracht. Der handwerkliche Anspruch und das kreative Schaffen haben mir immer schon gefallen. Doch mein Vater wollte, dass ich etwas „G‘scheites von Dauer“ lerne, bevor ich Mode studiere – vor allem, da ich davor noch ein Schauspielstudium nach einem Jahr abgebrochen hatte (lacht). So war der Deal: WU und dann Modestudium. Dafür, dass es anfänglich nicht meine erste Option war, habe ich das Studium an der WU gut durchgezogen. Es war klar, die WU ist mein Ticket in die Modebranche. Und es war eine super Zeit – ich habe zwar jedes mögliche Studienbeschleunigungsprogramm absolviert, um schneller zu sein, war aber auch auf einem Auslandssemester in Hawaii und habe super viele, liebe Leute kennengelernt.

Und dann bist du nach Deutschland gezogen?

Genau. Nach meinem WU Abschluss habe ich begonnen, Modedesign in Berlin an der ESMOD zu studieren. Dann war ich bei Alexander McQueen in London und bin sehr schnell in die Selbstständigkeit gerutscht. Ich glaube, die wichtigsten Schritte meiner Karriere begannen immer mit einem „Ja“ zu Chancen.

Aber das ist auch mutig, oder?

Rückblickend bestimmt. Wobei ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht wirklich darüber nachgedacht habe, was alles an der Entscheidung hängt oder auch passieren kann. Dieses „amerikanische“ Denken habe ich von daheim mitbekommen: „Okay, los geht’s: Die Welle ist da, die musst du nehmen. Und wenn’s nicht klappt – wurscht.“

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?

Zum einen, dass ich selbst Entscheidungen treffen kann – und wenn sie falsch sind, sind sie eben falsch. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig und muss selbst für mein Tun geradestehen. Dann die Abwechslung: Kein Tag ist wie der andere! Man weiß nie, ob plötzlich eine E-Mail mit der dringenden Design-Anfrage von einem Promi reinkommt und wir spontan alle anderen Pläne über Bord schmeißen müssen. Und schließlich natürlich die Kreativität: Ich stelle mir eine Kreation vor und setze sie um. Hier habe ich im Grunde keine Grenzen.

Was sind die größten Challenges in der Selbstständigkeit?

Dass ich am Ende des Tages allein mit den Sorgen der Firma nach Hause gehe. Und keiner das, was ich gemacht habe, wirklich versteht. Außerdem ist der Umgang mit dem Immer-mehr-Wollen schwierig – vor allem, wenn man Kinder hat. Wie viel passt in einen 24-Stunden-Tag, wenn man auch seiner Familie gerecht werden will – ohne das Gefühl zu haben, dass alles langsamer geworden ist? Heute kann ich nicht mehr so wie früher die ganze Nacht im Atelier sein und grübeln. Sondern ich muss auch mal sagen: „Gut, jetzt ist die Arbeit vorbei und ich denke nicht mehr darüber nach.“

Wie bringst du Familie, Fashion-Design und Geschäftsführung unter einen Hut?

Es ist machbar. Und klar, wir haben viel gute Hilfe und Unterstützung – auch in der Zeit im Kindergarten kann man wirklich viel machen. Außerdem habe ich keinen riesigen Anspruch an meine Kinder oder an mich selbst – à la hier ein Kinderschwimmen und da ein Englisch-Kurs. Aber natürlich hat man 2 Herzen in der Brust: Ist man zu Hause, wäre man gerne in der Firma, und ist man in der Firma, wäre man gerne zu Hause. Es gibt an jeder Front immer noch mehr zu tun und zu leisten. Und man muss mit sich selbst ausmachen, dass man die eine Front auch mal für die andere ruhen lässt.

Ladies with an attitude
Fellas that were in the mood
Don’t just stand there, let’s get to it
Strike a pose, there’s nothing to it – Madonna, Vogue

Was sind deine nächsten Ziele oder Projekte?

Hätte man mich das vor 4 Jahren gefragt, hätte ich nie aufzählen können, was wirklich alles passiert ist. Deshalb bin ich vorsichtig mit Plänen – ich möchte mich nicht versperren. Aber grob gesagt möchte ich die Internationalisierung nach Amerika vorantreiben, die Promi-Kooperationen mit handgefertigten Atelier-Teilen forcieren und mit der Linie ICONIC den Massenmarkt ausbauen.

Welchen Tipp gibst du Studierenden?

Das Allerwichtigste: die Studienzeit genießen und alle Möglichkeiten wie Ausland, Events oder Kurse, die Spaß machen, auskosten. Man wird im Erwachsenenalter nie wieder so frei sein. Auch das Connecten mit Studienkolleg*innen ist so wichtig. Die Personen, die heute mit dir im Marketingkurs sitzen, werden morgen parallel mit dir zu Entscheidungsträger*innen in anderen Unternehmen. Ich habe meine ersten Aftershow-Partys mit vollen Goodie-Bags nur geschafft, weil meine Freund*innen von der WU in Marketingabteilungen von Konzernen gelandet sind und mir so Kontakt zu L’Oréal, Jägermeister und Co ermöglicht haben. Die Wirtschaftswelt ist ein Dorf – und am Ende trifft man sich wieder. Es hilft also, wenn man während des Studiums nicht völlig allein gekämpft, sondern Menschen kennengelernt hat.

Vielen Dank für das Gespräch!


Marina Hörmanseder

2021 Gründung Label Iconic by Marina Hoermanseder

2020 Gründung Label Hoermanseder

2013 Gründung Label Marina Hoermanseder

2012 Praktikum bei Alexander McQueen

2010-2013 ESMOD Berlin – Internationale Kunsthochschule

2005-2010 International Business, WU

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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