Bild: © Regine Hendrich

Kennst du den österreichischen Versandhandel Niceshops, der seit 2018 durch eine E-Flotte klimaneutral betrieben wird? Oder die Suchmaschine Ecosia, die einen Teil ihres Umsatzes in das Pflanzen von Bäumen steckt? Immer mehr Unternehmen wollen heute einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten. Nur, wie erkenne ich „Unternehmen mit Sinn“? Wir haben mit Michael Meyer, Vorstand des Departments Management an der WU, gesprochen.

Wunschziel: Die Welt zu einem besseren Ort machen. Wie finde ich Arbeitgeber, die mit mir diese Vorstellung teilen?

Die Rechtsform ist sicherlich ein erster Hinweis. In der großen Welt von Non-Profit-Organisationen kann man davon ausgehen, dass diese sinnorientiert positioniert sind – und in diesem Sektor sind deutlich über 100.000 Menschen in Österreich beschäftigt. Weiters brummen seit mehr als 15 Jahren die Social Start-ups, die eine zunehmend attraktive Variante für Absolvent*innen darstellen. Der Sektor wächst und mittlerweile gibt es in Social Enterprises wohl auch rund 20.000 Arbeitsplätze.

Wie erkenne ich Social Enterprises?

Primär daran, dass sie einen sozialen Zweck verfolgen und einen „social impact“ leisten wollen. Natürlich müssen sie auch auf die Rendite für ihre Investor*innen schauen, diese steht aber nicht im Vordergrund …

Das heißt, auch gewinnorientierte Unternehmen können sozial engagiert sein?

Genau, immer mehr sind das. Als Bewerber*in muss man da ganz genau hinschauen. Früher war schnell klar, was eine Non-Profit-Organisation ist, die keinen Gewinn ausschüttet, was eine öffentliche Organisation ist, die in der Verfügungsmacht des Staates steht, und was ein marktorientiertes Unternehmen ist. Heute verschwimmen die Grenzen. Viele gewinnorientierte Unternehmen sind zunehmend „social purpose“-orientiert. Das heißt, sie sind zwar nicht im eigentlichen Sinn gemeinnützig, da sie sehr wohl Gewinne an die Investor*innen ausschütten, sie haben aber trotzdem ein dominant soziales Ziel. Einige NPOs entwickeln hingegen gewinnorientierte GmbH-Spin-offs. Man muss es sich wirklich im Detail anschauen. Was macht das Unternehmen? Was sind die obersten Ziele der Organisation? Wie nimmt es seine soziale Verantwortung wahr? Ist es bloß Windowdressing oder wirklich sozial und ökologisch orientiert?

Worauf kann ich bei meiner Recherche achten? Welche „clues“ gibt es?

Vieles erkennt man, indem man sich die Wertschöpfungskette ansieht. Welche Ziele hat ein Unternehmen und welche Aktionen setzt es, um diese Ziele zu erreichen – und zwar ohne dass es sich um bloßes Greenwashing handelt. Wie nachhaltig sind Unternehmen in den unterschiedlichen Bereichen? Nehmen wir zum Beispiel Anexia – ein großes österreichisches IT-Unternehmen im Bereich Server-Dienstleistungen. Die sind sich sehr bewusst, dass sie in einer Branche mit einem riesigen „carbon footprint“ sind, haben sich aber das ernste Ziel gesetzt, in den nächsten 10 Jahren klimaneutral zu werden. Es gibt mittlerweile sehr viele Unternehmen, die ihren Beitrag zur Rettung des Planeten leisten wollen.

Haben Sie weitere Beispiele für Unternehmen, die zwar gewinnorientiert sind, aber dennoch einen sozialen Zweck verfolgen?

Im Bereich klassisch-integrativer Sozialunternehmen ist atempo ein gutes Beispiel, das sich vom Inklusionsunternehmen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu einem AI-Unternehmen entwickelt hat. Oder das generationenübergreifende Café Vollpension, das Altersarmut bekämpft, indem es Arbeitsplätze für ältere Menschen schafft. Oder Habibi & Hawara, die Menschen mit Migrationshintergrund integrieren. Diese Unternehmen machen natürlich auch einen Gewinn und müssen von etwas leben. Aber dominant ist der soziale Zweck. International fällt einem da immer wieder der Outdoor-Ausrüster Patagonia aus Kalifornien ein, der mit seinem „1% for the Planet“ eines der ersten „B Corps“ war und mittlerweile eine Plattform für Ökologiebewegungen ist.

Mit welchen Arbeitsbedingungen muss ich rechnen, wenn ich bei einem „Unternehmen mit Sinn“ einsteige?

Klassische NPOs zahlen wohl ein bisschen weniger als gewinnorientierte Unternehmen, sie befinden sich tendenziell im Bereich von öffentlichen Organisationen. Aber wahnsinnig groß ist der Unterschied nicht – vor allem nicht bei Einstiegs- oder Expert*innenpositionen. Allerdings sind die Gehaltssprünge in NPOs nicht so groß wie in klassischen Unternehmen. Wenn ich also superreich werden will, sollte ich nicht in eine NPO gehen. Bei Social Start-ups muss man risikobereit sein. Denn hier ist ja noch gar nicht sicher, ob das Unternehmen überhaupt erfolgreich sein wird. Immer gilt, dass der geteilte Purpose mit dem Unternehmen stark motiviert und für Zufriedenheit sorgt. Sofern man sich mit ihm identifiziert …

Das Anliegen des Unternehmens sollte also auch mit meinen Werten zusammenpassen?

Unbedingt! Das Person-Organisation-Fit-Argument gilt letztlich für jeden Arbeitsplatz. Kann ich mit Stolz und voller Selbstbewusstsein von meinem Arbeitgeber sprechen oder geniere ich mich für das Unternehmen, in dem ich arbeite? Teile ich die Werte und Interessen oder passt der Unternehmenszweck nicht zu meiner Weltanschauung? Wenn mir zum Beispiel Tierschutz keine Herzensangelegenheit ist, werde ich nicht so gut in eine Tierschutzorganisation passen wie eine Person, die dafür brennt. Was mir Sinn gibt, ist eine höchstpersönliche Angelegenheit. Da gibt es kein Richtig oder Falsch.

Vielen Dank für das Gespräch!

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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