Bild: © WU ZBP Career Center

Aktuell haben wir durch den Krieg in der Ukraine, die Klimakrise und Energieknappheit mit einigen Herausforderungen umzugehen – und das alles knapp nach den COVID-Erschütterungen. Wie wirken sich die weltweiten Unruhen auf den Arbeitsmarkt aus? Was sind die Branchen der Zukunft? Und welche Kompetenzen braucht es? Wir haben mit WIFO-Chef Gabriel Felbermayr gesprochen.

Gerade beginnt sich die Wirtschaft von den COVID-Maßnahmen zu erholen, schon stehen wir angesichts der Energieknappheit und Inflation vor den nächsten großen ökonomischen Herausforderungen. Doch der Arbeitsmarkt scheint, zumindest bis zum Winter 2022, stabil zu sein …

Neben den aktuellen Verwerfungen durch die Pandemie und den Krieg in Europa sind wir auch mit langfristigen Herausforderungen wie dem Klimawandel und einer insgesamt älter werdenden Gesellschaft konfrontiert. Vor allem die Dekarbonisierung und die Demographie transformieren den Arbeitsmarkt radikal. Früher gab es einen Käufermarkt – der Arbeitgeber, der ein Talent „kaufen“ will, saß auf dem längeren Ast –, heute haben wir einen Verkäufer*innenmarkt. Die Absolvent*innenzahlen steigen nicht mehr in dem Ausmaß, die der Arbeitsmarkt braucht. Das „Angebot“ an Studierenden und Absolvent*innen wird knapper, die Konkurrenz bei Bewerber*innen kleiner. Diese Transformation, die sich in den letzten Jahren schon angebahnt hat, wird sich in Zukunft noch verstärken.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Arbeitgeber müssen neue Modelle entwickeln, um auf die Verschiebungen der Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt zu reagieren. Wir sehen jetzt schon, dass viele WU Abgänger*innen keine 40- oder gar 60-Stunden-Wochen anstreben, sondern weniger arbeiten wollen. Aktuell gibt es in Österreich zwar keinen „Big Quit“ wie in den USA, Unternehmen müssen die Wünsche der Bewerber*innen aber natürlich dennoch berücksichtigen, um attraktiv und konkurrenzfähig zu bleiben.

Auch wir im Career Center erleben aktuell, dass das Engagement bzw. der „Drive“ von Bewerber*innen vielerorts vermisst wird. Können sich Jobsuchende Ihrer Meinung nach auf dem Verkäufer*innen-Arbeitsmarkt ausruhen?

Wir haben den Konjunkturzyklus nicht abgeschafft, der Arbeitsmarkt kann sich auch wieder ändern – auch wenn der langfristige Trend zum Verkäufer*innenmarkt bleibt. Außerdem bleibt das Matching immer ein großes Thema: Passt dieser Job zu mir? Denn die wenigsten wollen nur einen Beruf zum Geldverdienen für die Miete oder das Auto, sondern vielmehr eine Berufung – also einen sinnvollen und erfüllenden Job. Und hierfür muss man sich natürlich engagieren, Gas geben und proaktiv sein. Denn diese Jobs kommen nicht so einfach! Es wäre doch sehr schade, wenn man in einem sogenannten „Bullshit-Job“, den man gar nicht mag, hängen bleibt.

Das heißt, irgendeinen Job wird man schon bekommen. Aber für den einen Job, der wirklich erfüllend ist, braucht es Engagement?

Auf jeden Fall! Und ich hoffe sehr, dass dieser „Drive“ durch die verschiedenen Krisen nicht verloren gegangen ist. Es geht doch längst nicht mehr nur ums Geld, sondern auch um den „Purpose“, den Sinn. Es geht um die Frage: Ist das, was ich mache, nützlich für die Gesellschaft?

Werfen wir einen kurzen Ausblick in die nähere Zukunft: Wo wird es Jobs für Absolvent*innen geben?  

Spannend wird die notwendige Transformation ganzer Wirtschaftszweige und Unternehmen in Richtung erneuerbarer Energien. Das sind Transformationsprojekte, die viel Know-how und neuen Input benötigen – eigentlich genau das, was man sich als frische*r Absolvent*in wünscht.

Und welche Kompetenzen werden in Zukunft gefragt sein?

Meiner Meinung nach sollte man sich breit und als Generalist*in aufstellen. Durch die vielen Krisen, aber auch die hohe Geschwindigkeit von technologischen Veränderungen, kann ja niemand prognostizieren, welche Skills morgen gefragt sein werden. Man lernt heute eine Software und in 5 Jahren ist diese schon überholt. Aber trotzdem darf man auf eine gewisse Tiefe des Wissens nicht verzichten. Es nützt ja nichts, wenn man zwar breit philosophieren, aber keine Probleme lösen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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