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Online, digital, virtuell – der digitale Bewerbungslauf

In den letzten Wochen, besser Monaten, hat sich die Welt der Bewerbung und Jobsuche im Eiltempo verändert. Ganz ehrlich: Zu einem Video-Interview eingeladen zu sein, war bislang nur denkbar, wenn die beiden Gesprächspartner/innen eine räumliche – unüberwindbare – Distanz zwischen sich hatten. Telefon- oder Video-Interviews bekamen den Stempel, unpersönlich zu sein, und waren oft ein Zwischenschritt bei der Mitarbeiter/innenauswahl, um Effizienz zu gewinnen.

Im hier und jetzt

Heute – im Herbst 2020 – ist das einst Neue im digitalen Bewerbungsprozess schon gewohnt. Und auch wenn oder weil wir schon nach vorne blicken und wieder an persönliche Treffen glauben, wissen wir, dass vieles von den neuen Elementen bleiben wird.

Richten wir unseren Blick auf die Möglichkeiten und darauf, welche digitalen Türen sich vor Studierenden oder/und Absolvent/innen bei der Jobsuche befinden könnten.

Jobsuche über das Smartphone

Fangen wir von vorne an: Wo findet man Jobs? Richtig, auf Karriereplattformen oder Karriereseiten der einzelnen Arbeitgeber. Die meisten von ihnen sind bereits mobil optimiert und so gelingt die Jobsuche auch über Smartphone oder Tablet. Hat man einen interessanten Job gefunden, geht’s weiter zur Informationseinholung über den Arbeitgeber. Und hier gibt es jetzt eine Fülle von bereits bekannten Online-Angeboten: Videos von Mitarbeiter/innen, die ihre Jobs oder den Arbeitgeber beschreiben, Chatmöglichkeiten über automatisierte Kanäle (Chatbots), Insights via Social-Media-Kanäle des Unternehmens, Arbeitgeberbewertungsportale, Podcasts zu Bewerbungsfragen etc. …

Alexa, Bewerbung mit einem Klick!

Die letzten Adaptionen im Bewerbungsprozess gehen in Richtung One-Click-Bewerbung. Mit einem Klick könnte zukünftig die Bewerbung auf Basis eines Social-Media-Profils (LinkedIn, Xing etc.) möglich sein – effizient und hürdenlos. Aber auch Siri und Alexa könnten in Zukunft vermehrt zur Jobsuche herangezogen werden: beispielsweise durch die Info-Lieferung zu Auswahlprozess oder zur Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche bei einzelnen Arbeitgebern. Die Sprache soll aber auch bei der Bewerbung eine größere Rolle spielen: So soll eine Bewerbung per Sprachnachricht erfolgen können. Fast so, als ob man ganz oldschool eine Nachricht am AB hinterlässt. Aber das ist momentan bei vielen Arbeitgebern wirklich noch Zukunftsmusik.

Unvoreingenommene Algorithmen

Zurück zur Gegenwart: Bewerbungsformulare haben mittlerweile die Bewerbung via E-Mail überholt, auch wenn seitens der Bewerber/innen das E-Mail nach wie vor bevorzugt wird. Ist die Bewerbung erst einmal beim Arbeitgeber eingelangt, kann es bei „digitalisierten“ Personalabteilungen mit einer Bewerbungs- oder Dokumentenanalyse per Algorithmus weitergehen. Schon lange wurde ein Weg gesucht, um Bewerbungen fair zu beurteilen (Stichwort: anonyme Bewerbung). Ab jetzt werden Algorithmen, also IT-Programme zur Bewertung bestimmter Parameter, im Auswahlprozess herangezogen und die fachliche Qualifikation oder bisherige berufliche Erfahrung werden entsprechend den Ausschreibungserfordernissen gewichtet. Hobbies, Herkunft, Geburtsdatum etc. werden in diesem Prozess ausgeblendet.

Ist die erste Vorauswahl getroffen, können Tests ein nächster Zwischenschritt sein. Egal, ob es um Persönlichkeitsmerkmale, Intelligenz oder Fachwissen geht. Mittels standardisierter Tests wird bereits seit längerem versucht, eine „gefühlte“ Vergleichbarkeit der Bewerber/innen entsprechend bestimmter Eigenschaften oder Wissen herzustellen.

Video-Interviews

Irgendwann ist aber doch eine persönliche Interaktion notwendig. Hier kann einem Face-to-Face-Gespräch ein Telefon-Interview vorgelagert werden. Dazu brauchen wir gar nicht viel sagen. Klingt eigentlich gewohnt, zu telefonieren, aber bei einem Job-Interview wird es dann doch wieder besonders. Neben dem Live-Interview ist mittlerweile das Video-Interview zur beliebten Kennenlern-Variante geworden. Bei den Video-Interviews gibt es ebenfalls 2 Varianten. Außer der Live-Variante kann auch ein „zeitversetztes Video-Interview“ stattfinden. Hier können Bewerber/innen via Link in einem speziellen Tool Fragen im Video-Modus beantworten. Die Video-Antworten werden gespeichert und zu einem „Bewerbungsvideo“, für die Personalverantwortlichen nachträglich abrufbar, zusammengefasst. Bei einem Live-Video-Interview treffen sich Arbeitgeber und Bewerber/in – wie der Name schon sagt – live in einer Chat-Plattform.

Auch Assessment-Center werden mittlerweile im Online-Modus durchgeführt. Die Simulation verschiedener Arbeitssettings oder Fach-Cases kann durch die rasante Weiterentwicklung der Tools mit großen und kleinen Chatrooms virtuell effizient durchgeführt werden.

Active Sourcing

Kommen wir zur Suche der Arbeitgeber in der digitalen Welt. Active Sourcing, Talent-Scouting – Begriffe, die wir im Zuge des „War for Talents“ immer wieder gelesen oder gehört haben. Stellt sich die Frage, wie aktiv Arbeitgeber wirklich nach passenden potenziellen Mitarbeiter/innen suchen.

Wie sehr Arbeitgeber bereits Werbung auf Social Media für sich machen, dürfte mittlerweile keinem entgangen sein. Kaum ein Unternehmen ist nicht auf Facebook, LinkedIn oder Instagram zu finden. Mitarbeiter/innen auf diese Weise zu suchen, ist aber weit aufwendiger als die Schaltung simpler Werbung auf diesen Kanälen. 51 Millionen Profile zählt LinkedIn weltweit, knapp 15 Millionen Profile sollen es im DACH-Raum sein. Die Suche nach passenden neuen Kolleg/innen klingt sprichwörtlich nach „die Nadel im Heuhaufen suchen“. Natürlich verfeinern Filter die Suche, aber es wird relativ klar, dass nicht alle Positionen über diesen Weg besetzt werden. Personalverantwortliche geben an, besonders Expert/innen und Spezialist/innen über diesen Kanal zu wählen. Vor allem, wenn es darum geht, auch Personen anzusprechen, die nur „latent“ wechselwillig sind.

Talentpool

Die Suche im eigenen Talentpool ist fast als „aktiver“ Teilbereich des Active Sourcing anzusehen. Immer mehr Arbeitgeber nehmen neben der Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle gute Bewerber/innen in ihre Talente-Datenbank auf. Früher nannte man das „in Evidenz halten“. Für viele Jobsuchende klingt es oft nach einer Ausrede, wenn sie statt einer Zusage eine Aufnahme in den Talentpool angeboten bekommen. Bei der Mitarbeiter/innensuche sind es oft klitzekleine Unterschiede, die den Ausschlag machen – die Aufnahme in die Datenbank für zukünftige Job-Ausschreibungen kann somit eine vielversprechende, versteckte Chance bringen. Denn eine Jobschaltung ist mit Aufwand und Kosten verbunden – meist wird vorher der Talentpool konsultiert und der Abkürzer zum Job kann sich auftun.

Digitale Mitarbeiter/innenempfehlungen

Die Suche nach neuen Kolleg/innen kann aber auch andere Wege nehmen. In Österreich wird es oft als Vitamin B abgetan, wenn man von Freund/innen oder Studienkolleg/innen auf einen offenen Job angesprochen wird. Arbeitgeber, die auf die Empfehlung ihrer bestehenden Mitarbeiter/innen vertrauen, setzen digitale Mitarbeiter/innen-Empfehlungsprogramme für die Jobbesetzung ein. Sowohl Werber/in als auch Angeworbene/r bekommen nach einer entsprechenden Vertragsdauer der neuen Kollegin bzw. des neuen Kollegen eine Prämie. Für Arbeitgeber ist dieser Weg nicht nur – im Vergleich – kostengünstig, sondern auch besonders wertvoll. Denn Hand aufs Herz: Eine Empfehlung für jemanden auszusprechen, bedeutet schon etwas.

Was kommt? Was bleibt? Was geht?

Gerne hätten wir eine Glaskugel, die uns sagt, wie die Recruitingwelt in 2 Jahren aussieht. Wir versuchen es dennoch und fassen einfach die Trends, Meinungen und Stimmungsbilder zusammen. Herausgekommen ist diese Tabelle:

 

Digitale Instrumente im Recruiting – darauf solltest du ein Auge haben!

 

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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