Bild: © Brooke Cagle/Unsplash

Die Einladung zu einem Assessment-Center ist extraspannend. Einerseits kannst du zurecht stolz auf dich sein: Wenn sich der Arbeitgeber die Mühe für dieses aufwendige Personalauswahlverfahren macht, dann ist klar, dass auf diese Position besonders viel Wert gelegt wird. Und du bist im Rennen um diesen Job, das ist großartig! Andererseits steigt jetzt natürlich deine Aufregung! Ein oder mehrere Tage, zusammen mit anderen Bewerber*innen, viele verschiedene Übungen unter ständiger Beobachtung der Unternehmensvertreter*innen … da hilft nur eins: durchatmen, „Ich bin gut, so wie ich bin“-Einstellung und raus auf die Bühne. 

„Du“ und „Du und die anderen“ im Fokus

So toll dein CV und das Motivationsschreiben auch sein mögen – einen echten Clue über dein Können bekommt man eben erst, wenn man dich im Arbeitskontext erlebt. Vor allem die soziale Komponente, also wie du unter Druck arbeitest, welche Rolle du im Team einnimmst oder wie du mit Konflikten umgehst, erkennt man am besten in Aktion.

Und hier kommt das Assessment-Center ins Spiel. Durch verschiedene praxisbezogene Übungen werden die Kompetenzen hervorgelockt, die es für diesen Job braucht – deine Reaktion auf Stress, dein Verhalten in Gruppen und dein Umgang mit Problemen werden von Unternehmensvertreter*innen, sogenannten Assessor*innen, beobachtet und analysiert.

Klingt stressig?

Nun, ist es auch ein wenig. Aber keine Sorge: Ein Richtig oder Falsch gibt es bei den Aufgabenstellungen in der Regel nicht. Du weißt ja schließlich auch nicht, auf welche Skills und welches Verhalten die Unternehmensvertreter*innen für diese Position Wert legen. Bleib du selbst, dann liegst du immer richtig. Und überhaupt: Ein Assessment-Center wird tendenziell selten in der Personalauswahl eingesetzt. Es kann also gut sein, dass du diese Kontaktstation auf deinem Weg zum Job überspringst.

Typische Übungen

Selbstvorstellung

Eine Selbstpräsentation ist so gut wie immer Teil eines Assessment-Centers – manchmal in einer 3-, manchmal in einer 5-Minuten-Version. Manchmal als freie Speech, manchmal unterstützt durch Flipchart oder Screen. Die Challenge: Die Vorbereitungszeit ist meist extrem kurz. Also: Wer bist du und was kannst du? Worauf setzt du den Fokus? Schaffst du es trotz des Zeitdrucks ruhig und fokussiert zu bleiben? Beobachtet wird deine Kommunikationsstärke, deine Authentizität und dein Umgang mit „all eyes on you“. Und das kannst du alles zu Hause schon vorbereiten.

Postkorbübung

Nein, du musst hier weder die Post sortieren noch Briefe austragen. Bei der Postkorbübung geht es darum, Prioritäten zu setzen, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu delegieren. Die Challenge: Zig Notizen sind in deiner Mailbox, ständig kommen neue Nachrichten herein und du hast nur ein paar Minuten Zeit, dir einen Überblick zu verschaffen und dich zu strukturieren. Die Uhr tickt: Was muss sofort bearbeitet werden? Was gibt man an Kolleg*innen weiter? Beobachtet wird deine Effizienz, deine Übersicht, dein Umgang mit Zeitdruck und dein Organisationtalent.

Rollenspiel

Du musst deine Führungskraft von einem neuen Projekt überzeugen. Oder: Ein sehr kritischer Kunde beschwert sich bei dir über die Qualität eures Produktes. Oder: Du musst eurem wichtigsten Key-Account die neue Dienstleistung verkaufen. Im Rollenspiel simulierst du in fiktiven Gesprächen – mit einem*einer Unternehmensvertreter*in oder einem*einer Mitbewerber*in – den echten Joballtag. Die Challenge: Meist ist die Situation angespannt, auch überraschende Wendungen können auftreten. Beobachtet werden deine Kommunikations-Skills, dein Umgang mit Konflikten und deine Kompromissbereitschaft.

Gruppendiskussion

„Ihre Gruppe steckt in einem Bus auf einer einsamen Passstraße fest, es herrscht Schneechaos. Versuchen Sie Hilfe zu holen, könnten Sie sich leicht im Schneesturm verirren. Bleiben Sie im Bus, werden Sie wahrscheinlich nicht gefunden.“ Wie werdet ihr in der Gruppe dieses Dilemma lösen? Die Challenge: In einer kooperativ-orientierten Gruppendiskussionen müsst ihr gemeinsam eine Lösung für einen meist ambivalenten Hintergrund finden – welche Meinung du dabei vertrittst, ist zweitrangig. Beobachtet wird vielmehr, welche Rolle du in dem Team und dem Gespräch einnimmst, wie tolerant du gegenüber unterschiedlichen Auffassungen bist und wie reflektiert du in die Diskussion gehst.

Case-Study

Im Gegensatz zu anderen Übungen im Assessment-Center sind Fallstudien nicht abstrakt – konkretes Fachwissen steht im Vordergrund. Meist wird dir ein Projekt aus der Praxis vorgelegt, das du analysieren und strukturieren musst. Vielleicht musst du auch ein bestimmtes Geschäftsziel erreichen. Die Challenge: Auch hier tickt die Uhr und du stehst unter dem Druck, den Kern der Aufgabe schnell erfassen zu müssen. Beobachtet werden deine Analysestärke, dein fachliches Know-how, dein Out-of-the-box-Denken und deine Problemlösekompetenz.


Dein Assessment-Center-Benefit

Auch du lernst in einem Assessment-Center den Arbeitgeber sehr gut und über einen längeren Zeitraum hinweg kennen. Klar, es ist eine künstliche Situation – dennoch bekommst du viel Einblick, worauf das Unternehmen Wert legt und welche Challenges in dem Job auf dich zukommen können. Außerdem hast du durch die vielen Assessor*innen schon Kontakt zu mehreren Entscheidungsträger*innen im Unternehmen. Das kann für deine weitere Laufbahn natürlich von Vorteil sein.

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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