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Zieht es dich eher in ein Großunternehmen? Oder bist du ein KMU-Typ? Vielleicht hast du dich auch mit dieser Frage noch gar nicht beschäftigt? So viel aber vorweg: Irgendwie kommt es doch auf die Größe an. KMU und Großunternehmen funktionieren ganz unterschiedlich. Klar, dass sich das auf Strukturen, Job-Descriptions und Karrierechancen auswirkt. Also, wer passt zu dir? Finden wir es heraus…

A small business is not a little big business

Beschäftigen wir uns zunächst damit, wie sich Klein- und Großunternehmen überhaupt unterscheiden. Bei meinem Interview mit Prof. Dietmar Rößl, Vorstand des Instituts für KMU-Management an der WU, erzählt er von einer Folie, die er in einer seiner ersten Vorlesungen immer zeigt. Diese heißt: A Small Business is not a Little Big Business. Die Kernaussage dahinter ist, dass KMU nicht gleich Großunternehmen und Großunternehmen nicht gleich KMU. „Viele glauben, dass ein KMU wie ein Großbetrieb ist, nur kleiner und einfacher. Dem ist aber gar nicht so: KMUs folgen einer ganz anderen Logik“, betont er. „Wobei die KMU-Logik zu verstehen, nicht nur wichtig ist, wenn man in einem KMU tätig sein will, sondern auch, wenn man in Großunternehmen tätig ist und dort das Segment der KMU betreut.“

Wie anders die Logik und die Arbeitswelten sind, wird mir bei meinen weiterführenden Recherchen bewusst. Allein aufgrund ihrer Größenstruktur verfolgen KMUs und Großunternehmen unterschiedliche Ausrichtungen. Da geht es um Spezialisierung vs. das große Ganze. Planung vs. Flexibilität. Rollen- vs. Personenorientierung.

Die Welt des Großunternehmens

Tauchen wir also einmal in die Welt der Großunternehmen ein. Gemeinhin werden hier Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter/innen oder einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro verstanden. Obwohl in der österreichischen Unternehmenslandschaft nur 0,5 Prozent der Unternehmen zu den Großunternehmen zählen, finden die meisten WU Absolvent/innen hier ihren ersten Job – und das laut der ViCaPP-Absolvent/innen-Erhebung konstant seit mehreren Jahrzehnten. Bei den Absolvent/innen 1970 waren es 46,6 Prozent, die den Berufseinstieg in einem Großunternehmen machten, bei den Absolvent/innen 2010 waren es 60,4 Prozent.

Die Arbeit in einem Großunternehmen zeichnet sich – vor allem beim Jobeinstieg – durch einen hohen Spezifikationsgrad aus. Es gibt Marketing-, HR-, Finanz-, Rechts– und sonstige Abteilungen und innerhalb dieser weitere, spezialisierte Positionen. In der Regel denken und entscheiden diese Abteilungen rein für ihren Bereich, die Gesamtunternehmensstrategie wird in hierarchisch höheren Positionen entwickelt und ist vor allem beim Jobeinstieg noch nicht greifbar.

Durch die Hierarchie wird es auch anonymer – Entscheidungsträger/innen sind weiter weg, Rollen und Job-Descriptions rücken vermehrt in den Fokus. Dietmar Rößl führt aus: „Zu sagen, dass es im Großunternehmen eine starke Entpersönlichung gibt, geht zu weit. Aber in einem Großunternehmen ist vieles über Rollen definiert.“ Auch die Nähe zum Produkt oder zum Kunden muss durch die starke Spezialisierung in vielen Jobs nicht gegeben sein. Rößl erzählt als Beispiel von seiner Tochter, die im Financial Reporting in einem Pharmakonzern arbeitet. „Ihr Job besteht darin, die österreichischen Werke abzurechnen und an die Zentrale nach Zürich und dann weiter in die USA zu melden. Als WU-Absolventin hat sie von Chemie und von den Produkten nicht wirklich eine Ahnung – und das muss sie in dieser Funktion aber auch nicht.“

Großunternehmen sind aufgrund ihrer Struktur viel mit Planung beschäftigt – Kennzahlen, Reporting und interne Routinen bestimmen mitunter den Arbeitstag. Entscheidungen werden sorgfältig getroffen und dann durchgezogen.  „Dadurch können Großunternehmen mitunter bürokratisch und wenig flexibel erscheinen.“ beschreibt Prof. Gerhard Speckbacher, Vorstand des Instituts für Unternehmensführung an der WU, die Welt der Großbetriebe.

Die Welt des KMU

Kommen wir nun in die Welt der Kleinst-, Klein und Mittelbetriebe – diese zeichnen sich durch eine Mitarbeiter/innenzahl von maximal 249 Personen oder einem Jahresumsatz von unter 50 Millionen Euro aus. Im Jahr 2016 waren 99,6 Prozent der österreichischen Unternehmen den KMUs zuzuordnen – dadurch bilden sie das oft zitierte Rückgrat der heimischen Wirtschaft. Obwohl nicht jedes KMU Jobs für WU Absolvent/innen bietet – wir denken vermehrt an, wie Rößl es formuliert, „dynamische KMUs“, die sich mit Innovationen, Wachstum und neuen Märkten beschäftigen – fanden hier laut der ViCaPP-Erhebung 39,6 Prozent der Berufseinsteiger/innen 2010 ihren ersten Job.

In KMUs sind Produkte, Services und Kunden in der Regel über alle Abteilungen und Positionen hinweg sehr präsent. Dadurch wird, wie Gerhard Speckbacher betont, „der Wert der eigenen Arbeit für den Erfolg des Unternehmens gut sichtbar.“  Intrapreneurship, unternehmerisches Denken und eine selbständige Arbeitsweise werden von den Mitarbeiter/innen erwartet – umso mehr, als Arbeitsprozesse und -inhalte meist wenig ausformuliert sind. Job-Descriptions können sich rasch ändern oder erweitern, Flexibilität und generalistisches Arbeiten stehen an der Tagesordnung. Dietmar Rößl: „KMUs brauchen Mitarbeiter/innen, die gerne improvisieren. Jemanden, den/die es nicht abschreckt, heute der/die Marketing-Chef/in zu sein und morgen die Internationalisierungsstrategie zu übernehmen.“ Gerhard Speckbacher ergänzt: „In kleinen und mittleren Unternehmen wird man oft schon zu Beginn ins kalte Wasser geworfen und man bekommt schneller mehr Verantwortung.“

Neben der flexiblen und generalistischen Arbeitsweise sind nicht zuletzt auch die flachen Hierarchien zu erwähnen. Entscheidungsträger/innen sind näher. Barbara Kump, Habilitandin am Institut für KMU-Management, betont: „Dadurch kann man auch schneller Einfluss nehmen und Ideen ins Unternehmen einbringen – vorausgesetzt das Verhältnis zu den Entscheidungsträger/innen passt.“

Karrierewege

Wie sehen nun mögliche Karriereperspektiven für WU Absolvent/innen in kleinen und großen Unternehmen aus? Eine ganz pragmatische Erkenntnis vorweg: Ein Großbetrieb bietet allein aufgrund seiner Größe und seiner Struktur mehr Jobs für WU Absolvent/innen – insbesondere im Bereich des Jobeinstiegs und des mittleren Managements. Auch Traineepositionen werden in der Regel erst ab einer gewissen Unternehmensgröße eingeführt.

In einem KMU gibt es hingegen weniger offene Jobs für WU Absolvent/innen – allein schon aufgrund der Tatsache, dass es weniger reine Management- oder BWL-lastige Funktionen gibt. Da in KMUs die Produkte und Kunden über alle Positionen hinweg meist sehr präsent sind, sind Branchenkenntnisse oft unabdingbar. Ist das Kernprodukt im Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu finden, wie es z.B. bei einem Steuerberater oder einer Marketing-Agentur der Fall ist, werden natürlich mehr Wirtschafter/innen gebraucht als in einem technischen Betrieb. Dietmar Rößl: „In einem technischen KMU mittlerer Größe gibt es 1 bis 2 Führungspositionen – zusätzlich wird vielleicht noch jemand fürs Marketing, HR oder die Internationalisierungsstrategie gesucht.“

Auch der weitere Karriereverlauf ist je nach Unternehmensgröße unterschiedlich. In KMUs sind die Aufstiegschancen nicht zuletzt durch die Nähe zur Unternehmensleitung zwar grundsätzlich gut – allerdings ist einmal mehr Flexibilität gefragt. Gerhard Speckbacher: „Schwierig wird es, wenn man eine bestimmte Position anstrebt, die es in kleinen Unternehmen nur einmal gibt und die auf Dauer besetzt ist. Da gibt es in Großunternehmen mehr Möglichkeiten.“ Dort sind die Karrierewege tendenziell klar definiert und vorgegeben. Barbara Kump: „Beim Einstieg in einem Großunternehmen hat man üblicherweise eine begrenzte Verantwortung, meist für einen Prozessschritt, und hat Zeit, in diese Aufgabe hineinzuwachsen. Nach und nach wird mehr Verantwortung dazukommen und man kann auf der Karriereleiter nach oben klettern.“ Ist man einmal in der Hierarchie aufgestiegen, rückt das große Ganze wieder ins nähere Blickfeld. „In einem kleinen KMU sind Sie sehr schnell Marketing-Leiter/in. Wenn Sie aber im Großunternehmen z.B. im Marketing relativ weit oben sind, dann haben Sie ein ganz anderes Marketing-Budget und eine völlig andere Schlagkraft.“

Wer passt zu mir?

Also als Fazit: Großunternehmen und KMUs sind völlig unterschiedliche Arbeitswelten mit völlig unterschiedlichen Karriereperspektiven. Wie findest du nun heraus, in welche Arbeitswelt du passt? Dietmar Rößl gibt den Tipp: „Die erste Frage ist: Will ich mich spezialisieren? Dann ist ein Großunternehmen wahrscheinlich interessanter. Oder will ich Generalist/in sein und überall mitdenken? Dann ist ein KMU möglicherweise passender.“

„Letztlich hängt es von einem selbst ab, ob einem die eher zupackende, pragmatische und oft auch improvisierende Arbeitsweise in Kleinunternehmen besser gefällt als die stärker strukturierte, reglementierte und spezialisierte Arbeitsweise in Großunternehmen“, ergänzt Gerhard Speckbacher. Und natürlich kann man auch den wahrscheinlich bekannteren und prestigeträchtigeren Namen eines Großunternehmens den zu Jobeinstieg tendenziell strategischeren Arbeitsaufgaben eines KMUs gegenüberstellen.

Wie auch immer du dich entscheidest, auf unserer Jobbörse auf zbp.at sind alle Unternehmensformen vertreten – von klein bis groß, von etabliert bis Start-up. Du kannst dich auch einfach ausprobieren. Obwohl die ViCaPP-Absolvent/innenerhebung bescheinigt, dass 3 Viertel der WU 2010 und 2010er-Absolvent/innen nach dem Motto „Einmal KMU/Konzern – immer KMU/Konzern“ ihrer Organisationsgröße treu bleiben, beobachtet Dietmar Rößl regelmäßig, dass WU Absolvent/innen ihre ersten Arbeitserfahrungen in einem Großunternehmen oder in einem größeren Consultingunternehmen machen, um dann ein Unternehmen zu gründen, zu übernehmen oder in eine höhere Managementposition in ein KMU zu wechseln. Auch Gerhard Speckbacher betont: „Ein Wechsel zwischen KMU und Großbetrieb ist gerade am Anfang der Karriere kein großes Problem.“ In diesem Sinne: Come in – and find out.

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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