Bild: © ANDREAS KOWACSIK

Lokalaugenschein Hafen Wien, Dezember 2019. Zuerst fällt mir eines auf: Die Donau ist eigentlich sehr weit weg. Sie ist zwar aus dem 8. Stock des Bürogebäudes zu sehen – immerhin sind wir ja am Handelskai – aber wirklich nah am Wasser sind wir nicht. Unter mir liegt dafür eines der größten Autoterminals Österreichs: Fahrzeug an Fahrzeug reihen sich hier aneinander. „Der Hafen ist 3 Millionen Quadratmeter groß, vergleichbar etwa mit dem 1. Bezirk oder dem Central Park in New York“, erklärt mir die technische Geschäftsführerin Doris Pulker-Rohrhofer. „Und diesen Platz brauchen wir auch! Einerseits für die Lagerung, andererseits sind Miet-Immobilien wie Büros, Lager, Garagen und Werkstätten unser 2. großes Standbein.“ Auch jede Menge Schienen sind aus dem Büro im 8. Stock zu sehen. Was es damit auf sich hat, erfahre ich im Gespräch.

Von der WU in die technische Geschäftsführung – wie kann ich mir Ihre Karriere vorstellen?  

Logistik hat mich schon immer begeistert. Also war es naheliegend, dass ich mein Handelswissenschafts-Studium auch auf diesen Schwerpunkt gelegt habe. Meine Diplomarbeit habe ich zum Thema Container-Terminals in Wien geschrieben – ein Themengebiet, mit dem ich mich noch heute beschäftige. Nach dem Studium wollte ich dann unbedingt zu den ÖBB. Also habe ich dort einfach angerufen und gefragt, ob sie aktuell jemanden brauchen…

Es war also eine Initiativbewerbung?

Ja, genau (lacht). Und es war natürlich großes Glück, dass tatsächlich gerade eine Stelle ausgeschrieben war. Ich wurde dann zum Assessment-Center eingeladen und habe überzeugt. Das war der Grundstein für 20 Jahre im ÖBB-Konzern. Hier habe ich mich auch schon sehr stark in Richtung Technik entwickelt, z.B. habe ich die Betriebsleiter/innenausbildung gemacht. Diese umfasste die ganzen technischen Aspekte, von Fahrdienstleitung bis zur Elektro- und Fahrzeugtechnik. Und zuletzt hatte ich bei den ÖBB auch die betriebliche Geschäftsführung beim City-Airport-Train inne. Als dann aber die Position der technischen Geschäftsführung des Hafen Wiens ausgeschrieben war, habe ich mich beworben und jetzt bin ich also hier.

Mit welchen Agenden sind Sie jetzt betraut?

Mit dem gesamten operativen Betrieb: der Hafenlogistik, dem Schiffsumschlag, der ganzen Lagerlogistik. Allein unser Autoterminal ist eines der größten in Österreich. Dann kommen noch die Bereiche Verkauf, Recht, Technik, Facility-Management sowie Business Development und Innovationen dazu. Außerdem bin ich Aufsichtsratsvorsitzende der WienCont, dem größten Containerterminal in Österreich. Jährlich werden hier am Standort mehr als 350.000 Container umgeschlagen. Sie kommen mit dem Zug, werden auf LKWs umgeladen, hier gelagert oder auch repariert.

Die Container kommen mit dem Zug, nicht mit dem Schiff?

Genau, das ist für viele ein Überraschungsmoment (lacht). Natürlich sind wir ein Hafen und haben Güterschifffahrt – aber in Wirklichkeit ist das ein kleiner Teil, der primär aus Massen- und Schwergut, beispielsweise Dünger, Salz, Getreide oder Holz, besteht. Nur rund 10 Prozent der gesamten Waren kommen mit dem Schiff. Der Großteil wird mit dem LKW und dem Zug transportiert. Diese trimodale Ausrichtung ist einer unserer größten Vorteile: Wir haben 3 Verkehrsträger und können diese optimal kombinieren.

Was begeistert Sie an Ihrer Arbeit?

Mein Job ist sehr international, spannend und vielseitig. Denn Logistik ist einfach überall: in jedem Kleidungsstück, Nahrungsmittel oder Auto. Alles muss schließlich irgendwo produziert, verpackt, verladen, transportiert und wieder ausgeladen werden. Außerdem arbeite ich wahnsinnig gerne für die wunderbare Stadt Wien. Wir verbinden Wien mit der Welt – unsere Korridore reichen von den Nordseehäfen bis zum Mittelmeer.

Der Hafen als Tor zur Welt…

Absolut. Und es ist wirklich alles dabei: seien es Straßenbahnteile für Saudi-Arabien oder Teile für ein Krankenhaus in Trinidad. Wir müssen übrigens schon in Wien darauf achten, dass die schweren Stücke hochseetauglich verladen werden. Wenn ein Teil 12 Tonnen wiegt, muss es entsprechend verzurrt werden, damit es sich bei hohem Wellengang nicht bewegt.

Welche Themen werden Sie in Zukunft beschäftigen?

Gerade was die Digitalisierung betrifft, bleibt aktuell kein Stein auf dem anderen. Wir haben z.B. erst ein neues Warenwirtschaftssystem eingeführt und bei der WienCont gibt es ein neues Ingate, um die LKWs schneller durch das Terminal zu leiten. Die neuen Prozesse verlangen Agilität und Flexibilität. Und natürlich spielt die Drehscheibe Hafen auch beim Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle.

Wie passen Hafen und Nachhaltigkeit zusammen?

Als Nahversorger haben wir hier eine wichtige Rolle. Allein unsere Trimodalität – Schiff, Schiene, Straße – ist per se schon ein Beitrag zum Umweltschutz. Wir können Verkehrsträger kombinieren und die Rolle der Schiene bzw. des Binnenschiffs stärken. Wir engagieren uns aber auch bei der Stadtlogistik. Unser Projekt HUBERT, ein neues B2B-Paketservice, setzt sich zum Ziel, Transportwege besser zu organisieren und zu bündeln. Wenn man 3 Pakete bestellt, kommen also nicht mehr 3 Anbieter, sondern nur mehr einer. Außerdem wird ein großer Teil unseres Stroms aus Photovoltaik und Wasserkraft bezogen, auch die Dienstautos für unsere Botenfahrten sind elektrisch.

Welchen Tipp geben Sie Studierenden und jungen Absolvent/innen?

Ich habe 2 Tipps: Wissen und Begeisterung! Wenn du das Know-how für die Aufgabe hast und der Job dir außerdem Spaß macht, dann wirst du richtig gut sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Brigitte Kuchenbecker

Brigitte arbeitet seit elf Jahren für das ZBP. Ihre Leidenschaften sind das Schreiben und die Personalarbeit – umso besser, dass sie als Chefredakteurin des Karrieremagazins und Autorin des Blogs beide Interessen vereinen kann. In ihrer Freizeit findet man sie in der Natur: beim Wandern, Klettern oder Garteln.

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